Auf dem Landwirtschaftsbetrieb der JVA Witzwil des Kantons Bern arbeiten rund 60 Personen. So sind dem Bereichsleiter Landwirtschaft drei verschiedene Teams von insgesamt 22 Mitarbeitenden – sogenannten Arbeitsmeistern – unterstellt: Das Team Tiere kümmert sich um die Rinder, Pferde und Schweine, das Team Feldbau ist für alle Feldkulturen inklusive der eigenen Mühle verantwortlich. Das Team Kartoffeln, das überwiegend Kartoffelpflanzgut produziert, bewirtschaftet zusätzlich die Lagerhalle, in der auch Saatkartoffeln von Externen angenommen und gelagert werden. Jedes Team hat einen Abteilungsleiter, der die Arbeiten seines Teams plant und koordiniert.
Als Besonderheit gilt das Führen und Fördern der Gefangenen. Rund 40 Strafgefangene arbeiten in den verschiedenen Teams mit – je nach Fähigkeit und Belastbarkeit haben sie andere Aufgaben.
Landwirtschaft mit Strafvollzug
Der Betrieb sei sehr gut ausgerüstet, was die Bewirtschaftung trotz der Grösse ohne Hilfe von aussen ermögliche, erklärt Johannes Knöpfle, der als Abteilungsleiter für das Team Kartoffeln zuständig ist. «Bei dieser Betriebsgrösse sind wir aber natürlich auf Hilfskräfte angewiesen – und in unserem speziellen Fall sind das eben die Gefangenen», erklärt der Agronom weiter.
Johannes Knöpfle, Abteilungsleiter«Wir brauchen niederschwellige Arbeitsplätze für schwache Menschen.»
Obwohl gerade im Feldbau viele Arbeiten maschinell vonstattengehen würden, seien gerade die Bereiche Tiere und Kartoffeln kaum ohne die Mithilfe der Gefangenen zu bewirtschaften. Ausserdem gehöre die Beschäftigung der Gefangenen explizit auch zum Auftrag des Landwirtschaftsbetriebes. Entsprechend werde der Betrieb auch nach diesem Auftrag ausgerichtet und habe einen Einfluss darauf, wie gewirtschaftet werde.
Moderner Betrieb, aber handarbeitsintensiv
«Wenn wir heuen, dann schauen wir, dass wir so viel Handarbeit wie möglich haben. Wir holen mit den Ladewagen das Heu rein und gabeln es dann mit den Gefangenen lose in zwei Gebläse», erläutert Johannes Knöpfle. Das gehe sogar viel schneller als mit einem Kran, und die Handarbeit werde damit explizit gefördert. «Wir brauchen niederschwellige Arbeitsplätze für schwache Menschen.» Dazu zählt beispielsweise auch die Pflege von Legehennen. Die Beschäftigten müssen schauen, dass die Hennen Futter und Wasser haben, sie sammeln die Eier aus den Nestern, putzen diese und verpacken sie manuell in Schachteln. «All diese Tätigkeiten erfüllen diesen Auftrag», meint der Agronom.
Landwirtschaftsbetrieb JVA Witzwil
- Betrieb: 825 Hektaren nach ÖLN (inklusive 110 Hektaren Alp auf dem Chasseral, wo im Sommer jeweils 140 bis 150 Tiere gealpt werden) – rund 200 ha Getreide, 150 ha Grünland, 50 ha Mais, 40 ha Raps, 25 ha Zuckerrüben, 20 ha Kartoffeln, rund 15 bis 20 ha Eiweisserbsen, Sonnenblumen und andere Spezialkulturen, 70 ha extensive Wiesen als Ökoflächen
- Tiere: 90 Milchkühe mit Aufzucht sowie 70 Mutterkühe und Rindviehmast, 9 eigene Arbeitspferde und rund 70 Aufzuchtfohlen, 30 Freilandmuttersauen sowie 500 Mastschweine, demnächst 200 Legehennen und etwa 20 Bienenvölker
- Vermarktung: Saatkartoffeln und etwas Saatgetreide wird für die SEMAG produziert, Milch wird an die Aaremilch AG geliefert, Rinder und Schweine werden teilweise in der hauseigenen Metzgerei verwertet und zusammen mit anderen Erzeugnissen wie Eiern, Gemüse, Kartoffeln und Milch unter anderem an die Betriebsküche und den Hofladen geliefert.
Der Grossbetrieb braucht Koordination
Die Bewirtschaftung der mehreren Hundert Hektaren erfordert viel Planung und Koordination. Jede Woche setzen sich die Abteilungsleiter mit dem Bereichsleiter zusammen und besprechen die anstehenden Arbeiten: «Hinzu kommt die Herausforderung mit der Integration der Hilfskräfte, die nicht vom Fach sind und spezielle Anforderungen mit sich bringen, was man in der ganzen Arbeitsplanung berücksichtigen muss», erklärt Johannes Knöpfle.
Johannes Knöpfle, Abteilungsleiter«Wir müssen Zielkonflikte umschiffen sowie unvorhergesehene Unterbrechungen auffangen können.»
Gleichzeitig müsse der Landwirtschaftsbetrieb die Verträge und Verpflichtungen wie beispielsweise mit der Saat- und Pflanzgut AG (SEMAG) einhalten. «Wir müssen Zielkonflikte umschiffen sowie unvorhergesehene Unterbrechungen auffangen können», erklärt der Abteilungsleiter weiter.
Hindernis und Chance zugleich
Im Gegensatz zu anderen Landwirtschaftsbetrieben erfordern das Aufgleisen von neuen Ideen und das Umsetzen von Projekten in Witzwil etwas mehr Geduld, da bei der Kantonsbehörde immer zuerst abgeklärt werden müsse, ob die jeweiligen Pläne überhaupt erwünscht seien. Investitionen würden in einem Fünfjahresplan erfasst, erklärt Johannes Knöpfle: «Wir müssen also immer weit vorausplanen. Wenn wir etwas an Gebäuden ändern wollen, geht das zuerst durch alle Amtsmühlen. So hat der Bau des neuen Kälberstalls rund zehn Jahre gedauert.»
Auf der anderen Seite bedeuten die Grösse und die Besitzverhältnisse des Betriebs, dass viel Raum und Platz für Neues besteht, um beispielsweise mit neuen Kulturen zu tüfteln. «Wir bauen bereits in der vierten Saison rund eine halbe Hektare Nassreis an. Das läuft sehr gut, es ist super für die Gefangenen und zudem erst noch wirtschaftlich interessant», schildert Johannes Knöpfle.
Betriebe im Fokus
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