Unternehmen im Agrarbereich kommen ohne sie nicht aus. Es sind aber nicht nur die vor und nachgelagerten Wirtschaftsorganisationen, die sich schon fast um sie als Beraterinnen, Kommunikatoren und Projektleiterinnen reissen, weiss Petra Sieghart, Leiterin des Geschäftsbereichs Bildung vom Schweizerischen Bauernverband: «Auch Verbände und Vereine wären froh, wenn es mehr Agrotechniker und Agrokaufleute auf dem Arbeitsmarkt gäbe», sagt sie. Begehrt sind Agrotechniker und Agrokaufleute deshalb, weil sie sich zusätzlich zu ihrer Berufspraxis in der ganzen Branche auskennen und zudem Verantwortung sowie Führungsaufgaben übernehmen können.
Jobangebot während Praktikum
Diese Erfahrung machte auch Hubert Hartmann (29), der sein eidgenössisches Diplom als Agrotechniker HF seit Sommer 2019 in der Tasche hat. Bereits während der Weiterbildung lag ein konkretes Stellenangebot von der Krieger AG auf seinem Tisch, wo Hartmann heute als Projektleiter tätig ist. Er besucht Betriebe, berät, plant und realisiert Um- und Neubauten von Schweineställen und Lüftungen. «Meine Erfahrung als Landwirt hilft mir, mich in arbeitstechnische Abläufe hineinzudenken und auf Kundenwünsche einzugehen», sagt Hartmann. Schon während seiner Grundausbildung wurde ihm bewusst, dass er später einmal mehr will. Bei drei Brüdern lag es zudem auf der Hand, dass neben einer möglichen Hofübernahme auch ein Plan B bereitliegen musste. Den akademischen Weg schlug er aus, weil Hartmann mit der HF-Ausbildung schneller und direkter an sein Ziel kam: «Um eine interessante Aufgabe in der Privatwirtschaft zu übernehmen, ist vor allem das kaufmännische Wissen entscheidend, das die HF-Ausbildung vermittelt.»
Flexible Lebensgestaltung
Auch mit Aussichten auf einen eigenen Betrieb tun sich mit einem HF-Abschluss interessante Möglichkeiten auf. Ramona Ammann (24) sieht ihre berufliche Zukunft «in irgendeiner Form» auf dem elterlichen Milchwirtschaftsbetrieb in Wittenwil bei Aadorf im Kanton Thurgau. Sie ist überzeugt: «Für eine Betriebsführung braucht es heute mehr als nur den EFZ-Abschluss».
Trotzdem hat sie sich nach der Grundausbildung und einem zweijährigen Auslandaufenthalt nicht für die Meisterschule, sondern für die HF-Weiterbildung zur Agrotechnikerin entschieden. «Dieser Abschluss gibt mir die Möglichkeit, parallel zur Arbeit als Landwirtin auch auswärts zu arbeiten», sagt Ammann. Diese Flexibilität spürt die Agrotechnikerin bereits heute. Zurzeit arbeitet sie im Vollzeitpensum bei der Mooh Genossenschaft im Bereich der Milchbeschaffung. An Wochenenden hilft sie zu Hause dort, wo sie gebraucht wird. Ihre ganze Familie gewinnt dadurch mehr Zeit bei der Planung der Hofübergabe, und Ammann schätzt die abwechslungsreiche Arbeit.
Einstiegschance für angehende Führungskräfte
Agrokaufleute und Agrotechniker, die Teilzeit in der Landwirtschaft tätig sind, sind auch bei der fenaco gern gesehene Arbeitskräfte.
Robert Wirz, fenaco«Durch den Bezug zum eigenen Betrieb kennen sie die Bedürfnisse ihrer Klienten gut.»
«Speziell in den Bereichen Pflanzenbau und in der Tierhaltung zeigt sich, dass Beraterinnen und Berater durch den Bezug zum eigenen Betrieb die Bedürfnisse ihrer Klienten sehr gut kennen», sagt Robert Wirz, Leiter Human Resources fenaco Ostschweiz. Ein Einstieg ist dank dem Führungstrainee-Programm auch ohne langjährige Berufserfahrung möglich. Junge Talente mit einem höheren landwirtschaftlichen Abschluss erhalten dadurch die Chance, das Unternehmen von Grund auf kennenzulernen.
Dabei absolvieren sie ein zweijähriges Ausbildungsprogramm in den verschiedenen Unternehmensbereichen und bekommen so die Möglichkeit, sich als zukünftige Führungskraft zu qualifizieren.
Den Horizont erweitert
Reto Rechsteiner hat nach seinem HF-Abschluss als Agrotechniker diesen Weg gewählt und ist heute noch davon begeistert. «Ich konnte in diesen Monaten meinen Horizont enorm erweitern», erinnert sich der 27-Jährige an seine Zeit, als er über zehn Stationen in den Bereichen Agrar, Energie, Handel und Finanzen der fenaco-LANDI Gruppe durchlaufen hatte. Heute ist Rechsteiner als Projektmitarbeiter Agrar bei der LANDI Matzingen Genossenschaft tätig. Dort optimiert er Prozesse im Agrarbereich, kümmert sich um die Einführung des CRM-Kundenmanagements und packte das Smart Farming-Projekt Barto an. «Der Aufgabenbereich hier ist sehr abwechslungsreich, vielseitig und spannend», schwärmt er und schätzt es, dass ihm aufgrund seiner Ausbildung viele Möglichkeiten offenstehen.
Als Weiterbildung kommen für ihn CAS Lehrgänge im Bereich Project Management oder Business Administration in Frage. Dank interner Weiterbildungsmöglichkeiten sind auch innerhalb des Unternehmens Perspektiven vorhanden: «Ich kann mir gut vorstellen, in einigen Jahren die Leitung einer LANDI-Geschäftsstelle oder eine andere Führungsaufgabe bei der fenaco zu übernehmen.»
Berufsbegleitend oder Vollzeit
Die Weiterbildung zum Agrokaufmann oder zur Agrotechnikerin steht allen landwirtschaftlichen Berufsgruppen mit einer abgeschlossenen EFZ-Grundausbildung offen, die mindestens ein Jahr Berufserfahrung vorweisen können. Mit einem Arbeitspensum von 50 Prozent kann sie auch während drei Jahren berufsbegleitend absolviert werden. Der Unterricht ist modular aufgebaut. Die Vollzeitausbildung dauert zwei Jahre. Der Abschluss beider Fachrichtungen ist eidgenössisch anerkannt und ebnet den Weg zu einem späteren Übertritt an Fachhochschulen oder Hochschulen. Bei Erlangen des Diploms können Absolventinnen und Absolventen maximal die Hälfte der Modulkosten direkt beim Bund zurückfordern.