Eine überbetriebliche Zusammenarbeit besteht bereits, wenn sich zwei Betriebe in Spitzenzeiten gegenseitig aushelfen oder Anlagen oder Maschinen gemeinsam anschaffen und nutzen. Knapp 1,5 Prozent aller Schweizer Landwirtschaftsbetriebe waren gemäss Erhebungen des Bundesamtes für Landwirtschaft im Jahr 2018 als Betriebsgemeinschaft organisiert. Darunter fallen auch Ge-nerationen- oder Gebrüdergemeinschaften. Mit dieser engeren Zusammenarbeit wird meist das Ziel angestrebt, Investitionskosten zu optimieren und auf mehrere Partner zu verteilen. Dadurch erhöht sich für die beteiligten Personen die Möglichkeit, einem Nebenerwerb nachzugehen oder einen weiteren Betriebszweig aufzubauen, wie das Beispiel der Familie Burri in der Ostschweiz zeigt (siehe Interview).
Gemeinsame Investitionen in das Grundeigentum oder einen Betriebszweig werden für Jahrzehnte getätigt. Umso wichtiger ist deshalb, dass die passende Form gewählt wird. Die Möglichkeiten sind zahlreich, je nach Grösse der Investition und der gewünschten Intensität der Zusammenarbeit. Eine neue Website von Agridea zeigt die Möglichkeiten der überbetrieblichen Zusammenarbeit auf. Sie beschreibt elf Kooperationsformen im Detail und stellt mit Videointerviews und Erfolgsgeschichten die Verbindung zur Praxis her (siehe Kasten).
Webangebot überbetriebliche Zusammenarbeit
Agridea hat zusammen mit weiteren Projektpartnern ein neues Webangebot zur überbetrieblichen Zusammenarbeit entwickelt. Es verbindet Theorie und Praxis und zeigt die verschiedenen Möglichkeiten auf. Die elf wichtigsten Formen werden detailliert beschrieben und grafisch illustriert. In Videobeiträgen sprechen Landwirtinnen und Landwirte über ihre Motivation, sich mit anderen zusammenzuschliessen, und berichten über ihre Erfahrungen in der überbetrieblichen Zusammenarbeit. Ebenfalls zu finden ist ein grosses Angebot an Beratungsadressen.
www.agripedia.ch -> zusammenarbeit
Interview
In der hügeligen Voralpenlandschaft mit Blick auf den Säntis liegt der Betrieb der Familien Burri. Die beiden Brüder Johannes und Christian haben den elterlichen Hof 1988 gemeinsam übernommen und bis heute als Gebrüdergemeinschaft (GG) geführt. Nach Jahren der Zusammenarbeit ziehen die Familien eine positive Bilanz. Alles würden sie aber trotzdem nicht mehr gleich machen.
UFA-Revue: Traditionell übernimmt der älteste Sohn den Betrieb. Warum haben Sie das anders gemacht?
Christian Burri: Ich sah, wie meine Eltern Tag und Nacht gearbeitet haben. Weil ich den Kopf schon immer voller Ideen hatte, dachte ich: Ich wäre zwar schon gerne Bauer, aber dann habe ich ja für gar nichts anderes mehr Zeit.
Johannes Burri: Wir Brüder haben uns immer schon gesagt: Wenn wir den Betrieb später einmal gemeinsam führen, dann haben wirs viel lockerer und können daneben noch alles andere machen.
Eine Gemeinschaft erfordert ein hohes Mass an Kooperationsbereitschaft. War das nie ein Problem bei Ihrem Ideenreichtum, den Sie vorhin erwähnten?
Christian: Mein Bruder und ich sind fast gleich alt und haben vieles gemeinsam erlebt. Das gab ein gutes Fundament. Wenn wir zusammen etwas unternehmen oder planen, müssen wir auch heute noch kaum darüber reden.
Johannes: Ja, wir haben eine sehr effiziente Form der Kommunikation. Es braucht sehr wenig, bis der eine weiss, was der andere will.
Bei einer Betriebsgrösse von 18 ha war aber die Aussicht auf einen wirtschaftlichen Erfolg eher düster …
Christian: Der Betrieb alleine hätte für zwei Familien viel zu wenig hergegeben, richtig. Darum mussten wir eine Nische finden. Damals war die Zeit reif für Wildblumensämereien. Weil wir rechtzeitig eingestiegen sind, entstand unter uns ein positiver Sog – eine Art Kultur des Bejahens gegenüber dem, was für den Erfolg nötig war. Johannes hat für die Pflanzen und den Absatz geschaut, und ich habe mich um den Rest gekümmert.
Johannes: Bei der Übernahme des Betriebs haben wir abgemacht, dass jede Leistung gleich viel wert ist. Darum ist auch der Lohn, den ich auswärts bei UFA-Samen erhalten habe, immer voll in den Betrieb geflossen.
Einen solches Projekt geht aber nicht ohne Rückendeckung der Partnerinnen. Wie haben Sie das alles immer mitgetragen?
Marlies Burri: Ich habe, wie Claudia, Kindergärtnerin gelernt, und als es darum ging, auf den Betrieb zu ziehen, hat Johannes zu mir gesagt: «Du könntest eigentlich deinen Job aufgeben und gleich in die Wildblumen einsteigen.» So habe ich zusammen mit meiner Schwiegermutter im kleinen Stil angefangen. Nicht immer waren wir erfolgreich, und da waren wir dann sehr froh um den regelmässigen Milchzahltag.
Claudia Burri: Ich bin später dazugekommen und habe übernommen, was gerade anstand. Da mir manchmal ein eigenes Arbeitsfeld fehlte, bin ich gerne wieder Teilzeit als Kindergärtnerin eingestiegen. Das ist für mich ein guter Ausgleich.
Marlies: Ich habe ebenfalls noch einen Nebenjob als Blockflötenlehrerin. Einmal in der Woche in eine völlig andere Umgebung zu kommen, etwas für mich selber zu machen, das tut wahnsinnig gut.
Das klingt jetzt ein bisschen reumütig. Würden Sie alles nochmals so machen?
Claudia: Die Gemeinschaft hat uns viele Vorteile gebracht. Wir konnten uns ablösen beim Kinderhüten, konnten am Abend einmal ausgehen, oder in die Ferien. Und auch für die Kinder war das ein Gewinn.
Johannes: Übrigens, rechtlich haben wir zur Gemeinschaft ganz wenig abgemacht. Die Betriebsübernahme wurde genau halb-halb finanziert. Wir hatten Glück, es hat alles zusammengepasst, wir Brüder, mit den Eltern, mit dem Umfeld, mit den Frauen …
Marlies: Wir Frauen hatten es schon viel schwieriger als die beiden Brüder. Ihr habt euch euer Leben lang gekannt …
Claudia: Heute würden wir das vielleicht anders machen. Wir würden uns anstellen lassen und einen Lohn beziehen für die Arbeit auf dem Betrieb. Andererseits: Wir machen eine sinnvolle Arbeit, wir sind bei jedem Wetter in der Natur, wir wohnen an einem schönen Ort.
Betriebsspiegel
Familien Johannes und Christian Burri, 9525 Lenggenwil SG
- Landwirtschaftliche Nutzfläche: 18 ha, davon 8 ha Ackerfläche und 10 ha Naturwiesen
- Hochstammbäume: 125 Stück
- Milchvieh: 16 Kühe und Aufzucht / Lieferrechte: 85 000 kg Milch
- Andere Tiere: 6 Hühner und 2 Schweine
- Hauptbetriebszweige: Wildblumen samenproduktion, Arbeiten für Wildblumen-Vermehrungsbetriebe, Milchproduktion