Landwirtschaftsland ist in der Schweiz ein rares Gut, für welches entsprechende Preise bezahlt werden. Dass diese Preise nicht ins Unermessliche steigen oder Boden gar für Spekulationen gehortet wird, hat der Bauernstand dem Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) zu verdanken, welches vor 25 Jahren eingeführt wurde. Konkret hat das BGBB zum Ziel, das bäuerliche Grundeigentum zu fördern, den Familienbetrieb zu erhalten, die Stellung der Selbstbewirtschafter zu stärken und übersetzte Preise für landwirtschaftlichen Boden zu bekämpfen.
Bodenmarkt funktioniert
Heute zeigt sich, dass die damaligen Ziele des BGBB durchwegs greifen. «Bodenspekulationen auf landwirtschaftlichen Flächen beobachte ich grossflächig keine mehr», bestätigt der Agrarökonom Dr. Gianluca Giuliani. Gemeinsam mit Dr. Christian Flury betreibt er die Firma Flury & Giuliani GmbH, welche in einer Fokusstudie zum Nationalen Forschungsprogramm 68 «Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden» der Frage nachging, ob der landwirtschaftliche Bodenmarkt in der Schweiz intakt ist und durch welche Faktoren dieser beeinflusst wird. «Wir haben heute beim landwirtschaftlichen Bodenmarkt einen ´freien´ Markt – allerdings mit vielen Einschränkungen auf der Nachfrageund der Angebotsseite», bringt es Giuliani auf den Punkt. Eine dieser Einschränkungen ist beispielsweise die Tatsache, dass landwirtschaftlicher Boden nur an Landwirte beziehungsweise Selbstbewirtschafter verkauft werden kann. Gerade kleinere Betriebe im Nebenerwerb profitieren von der geringen Mindestgrösse für landwirtschaftliches Gewerbe. Dadurch können kleine Höfe, die laut bäuerlichem Bodenrecht die Gewerbegrenze noch erreichen, zum Ertragswert an die nächste Generation weitergegeben werden. Das führt dazu, dass kleine Betriebe erhalten bleiben und das Land nicht für wachsende Betriebe zur Verfügung steht.
Dr. Gianluca Giuliani, Agrarökonom und Mitinhaber Flury & Giuliani GmbH«Der Boden muss weiterhin für die Bauern reserviert bleiben.»
Kritiker bemängeln genau diesen Punkt, weil das Land in den gleichen Kreisen bleibt. «Wir wissen, dass Innovationen oft von aussen kommen, weshalb es zu begrüssen wäre, wenn auch Quereinsteiger einfacher landwirtschaftlichen Boden erwerben können», sagt Giuliani, der zum Thema Bodenmarkt und Bodenpolitik auch an der EHT Zürich doziert. In der Schweiz wird jährlich eine Fläche von rund 9000 Hektaren von rund 1100 Betrieben zu gleich gros sen Anteilen über den Kauf- und Pachtmarkt weitergegeben. Der von den Eigentümern selbst bewirtschaftete Flächenanteil bleibt mit rund 55 Prozent in etwa immer gleich gross. Generell wird davon ausgegangen, dass das nach der Betriebsaufgabe vorerst verpachtete Eigenland später oft in den Bodenmarkt übergeht und von den Bewirtschaftern gekauft wird.
Eingeschränktes Wachstum
Die heutige Landwirtschaft wandelt sich immer mehr zu grösseren und effizienteren Betriebsstrukturen. Die Anzahl der Betriebe nimmt ab, die Grösse der verbleibenden zu. Mit der Pensionierung des Betriebsleiters wird der Betrieb an die nächste Generation weitergegeben oder die Flächen abgetrennt und an neue Bewirtschafter verkauft. Einige der Eigentümer behalten das Land und verpachten es, wodurch es nicht auf den Bodenmarkt kommt. Der reale Preis, sprich inflationsbereinigt, für landwirtschaftlichen Boden ging seit der Einführung des BGBB grösstenteils zurück. So halbierte sich der inflationsbereinigte Preis für eine Hektare Landwirtschaftsland beispielsweise in den Kantonen Zürich und Graubünden. In den Kantonen St. Gallen und Luzern sank der reale Preis für Landwirtschaftsland gar um zwei Drittel des Preises von vor der Einführung des BGBB. Hingegen haben sich die Preise im Kanton Waadt wenig bewegt.
BGBB prägt die heutige Landwirtschaft
Wie stark das BGBB die heutige Landwirtschaft beeinflusst hat, erkennt man erst bei näherer Betrachtung. Hätten die Initianten des BGBB vor über 25 Jahren einen anderen Weg bei der Gesetzgebung eingeschlagen, so würde die Schweizer Landwirtschaft heute ganz anders aussehen. «Das BGBB begünstig seiner Zielsetzung entsprechend den Familienbetrieb», sagt Giuliani und das sei auch gut so, denn niemand wolle Grossfarmen, wie das in Ländern wie den USA oder Brasilien der Fall wäre. «Der Boden muss auch weiterhin für die Bauern reserviert bleiben», davon ist der Agrarökonom mit Bündner Wurzeln überzeugt.
Giuliani plädiert aber dafür, die Definition des Familienbetriebs neu zu denken und fragt ganz konkret: «Ist es noch zeitgemäss, dass ein Familienbetrieb nur als solches gilt, wenn es von einer traditionellen Lebensgemeinschaft von zwei Personen, am besten generationsübergreifend, geführt wird? Könnten Betriebseinheiten in einer neuen Organisationsform, in der vielleicht drei, vier oder fünf Familien ihren Lebensunterhalt erzielen, nicht auch als eine Art ‹Familienbetrieb› gelten?» Weiter stellt der Agrarökonom das Prinzip der privilegierten Übergabe innerhalb der Familie in Frage. Gerade kleinste Familienbetriebe seien heute grossen Abhängigkeiten ausgeliefert, weil die Kosten für die Aufrechterhaltung des Betriebes hoch seien. «Die Betriebe sind dann in ihrem Hamsterrad gefangen», beschreibt es Giuliani und spricht damit auch das Problem von Überforderungen an.
Zukunft des Bodenrechts
Der Einführung des BGBB vor 25 Jahren ging eine fast 15-jährige Reflektionsphase voraus. «Wir müssen uns deshalb heute die Frage stellen, was wir in 15 Jahren für eine Landwirtschaft wollen», fordert Giuliani. Das Bodenrecht könnte hierfür eine entscheidende Rolle spielen und zu mehr Effizienz und Innovation führen, allerdings sei es gemäss Giuliani vorerst notwendig, sich auf eine klare Zielsetzung in Bezug auf die gewünschten Organisationsformen für die Landwirtschaft zu einigen und sich stets an dieser zu orientieren.