Auf vielen Höfen ist der Arbeitsdruck enorm hoch. Man macht sich Gedanken, wie die Arbeitslast verringert werden könnte. So auch ein Landwirt im Berggebiet. Seine Betriebsfläche wurde laufend grösser, nicht aber die einzelnen Ökonomiegebäude. So kam es, dass er öfters in mehr als einem Stall melken musste, weil er nicht mehr alle Tiere an einem Ort unterbringen konnte. Vor allem im Winter bestand der Tagesablauf eigentlich nur noch aus Stallarbeiten. Das drückt auf die Stimmung aller. In der Folge entschied sich die Familie zu einem Neubau. Die Finanzierung war gerade eben machbar.
Last verschoben, statt eliminiert
Als das neue Betriebsgebäude ein Jahr später steht, kann die Stallarbeit effizient erledigt werden. Damit sich der Betrieb nun aber den Kapitaldienst leisten kann (Zinsen und Amortisationen), ist der Betriebsleiter gezwungen, einem Nebenerwerb nachzugehen. Unter dem Strich ist die Arbeitslast nicht gesunken, und das Familienleben leidet erneut. Trotz Neubau kommt der Landwirt nicht aus dem Hamsterrad. Im Nachhinein betrachtet war die Investition nicht nachhaltig. Die soziale und die wirtschaftliche Ebene wurden nicht ausreichend berücksichtigt.
Alle einbeziehen und vorausschauend handeln
Nachhaltigkeit ist nichts anderes als die Bewirtschaftungsweise, wie Landwirte und Landwirtinnen früherer Generationen ihre Betriebe führten. Das Ziel war es, von der Produktion zu leben und den Betrieb in einem Zustand an die nächste Generation weiterzugeben, der es auch den Nachkommen ermöglicht, weiterzuexistieren. Noch heute ist der Stallbau ein Generationenprojekt. Und auch der Anbau einer neuen Kultur geht weiterhin nicht von heute auf morgen. Landwirtschaftliche Familienbetriebe können deshalb nur bedingt auf wirtschaftliche und möglicherweise kurzlebige Trends reagieren.
Betriebsleitende sind keine Einzelkämpfer mehr, sondern Teamplayer.
Eine nachhaltige Bewirtschaftung verlangt heute vom Betriebsleiter unternehmerisches Denken auf mehreren Ebenen. Dazu gehört zum Beispiel vorausschauendes Handeln unter Einbezug aller Beteiligten. Trotz Zeit- und Arbeitsdruck sollten sich alle im Familienbetrieb regelmässig Gedanken über die künftige Betriebsentwicklung machen und vor allem darüber sprechen. Dabei gilt es, sich verschiedene Szenarien auszudenken, sie durchzurechnen und sich zusammen zu vergegenwärtigen, mit welchen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen zu rechnen ist. So kommt man manchmal auf überraschende, aber in jedem Fall auf nachhaltige Lösungen, welche den Familienbetrieb stärken.
Familienbetriebe brauchen keine Einzelkämpfer
Ein guter Betriebsleiter oder eine gute Betriebsleiterin hat heute nicht mehr nur den eigenen Betrieb im Blick. Es braucht den Weitblick, um Herausforderungen zu erkennen, bevor sie vor der Tür stehen. Dazu gehört beispielsweise das Interesse am Weltgeschehen genauso wie das Interesse an den Gedanken von Personen, die der Landwirtschaft fern sind. Es braucht den Blick aus der Vogelperspektive. Betriebsleitende eines Familienbetriebes sind keine Einzelkämpfer mehr, sondern Teamplayer. Sie kennen die verschiedenen Talente und fördern sie. Wer um die Stärken und Schwächen weiss, erkennt leichter, welche künftigen Trends man mit den Fähigkeiten im Betrieb kombinieren kann. So macht die Arbeit mehr Spass und bringt den Betrieb als Ganzes weiter.
Gut ist oft besser als perfekt
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist in der Schweiz ein sehr traditionelles Modell. Nicht alles, was seit Generationen gleich gemacht wird, ist schlecht, aber auch nicht immer alles gut. Nach dem Pareto-Prinzip (siehe Kasten) lassen sich bei richtiger Verteilung der Prioritäten häufig mit 20 Prozent des Aufwands bereits 80 Prozent der Arbeit erledigen. Die Zeit, die man beispielsweise für einen «nur» guten Ertrag gewinnt, setzt man dort ein, wo ein maximales Resultat zwingend ist – zum Beispiel zur Berechnung der Tragbarkeit eines neuen Milchviehstalls.
Mehr Effizienz dank dem Pareto-Prinzip
Das Prinzip wird auch 80 / 20-Regel genannt und geht auf den italienischen Ingenieur, Ökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto zurück, der vor mehr als 100 Jahren die Verteilung des Grundbesitzes in Italien untersuchte. Er fand heraus, dass etwa 20 Prozent der Bevölkerung rund 80 Prozent des Landes besassen. Dieses Verhältnis lässt sich auch auf das Arbeitszeitmanagement übertragen. Hier angewendet besagt es, dass sich viele Aufgaben mit einem Mitteleinsatz von rund 20 Prozent erledigen lassen, damit 80 Prozent aller Probleme gelöst werden. Das Lösen der restlichen 20 Prozent der Probleme beansprucht hingegen 80 Prozent der Mittel. Im Berufsalltag kann man sich deshalb immer wieder fragen:
– Lohnt es sich, mich um zeitraubende Details zu kümmern, wenn dadurch das Resultat nur wenig besser wird?
– Wäre es nicht besser, ein ineffizientes Projekt aufzuschieben oder ganz wegzulassen?
– Kann ich die restlichen 20 Prozent einer Aufgabe delegieren, damit das nächste Glied in der Kette wiederum 80 Prozent der restlichen Probleme effizient erledigt?
Mit dem Pareto-Prinzip lassen sich ineffiziente Arbeiten leichter erkennen. Es greift aber nur dort, wo ein gutes Ergebnis bereits ausreicht, um ein Ziel zu erreichen. Richtig angewendet schützt es einen vor der Perfektionsfalle, in deren Gefangenschaft man eine Aufgabe gar nicht mehr abzuschliessen vermag – ganz nach dem Motto: «Done is better than perfect» (gemacht ist besser als perfekt).