Auf Anfang Jahr hat die Familie X einen Landwirtschaftsbetrieb übernommen. Sie erwirtschaftet einen Umsatz von 230 000 Franken. Ist sie nun Mehrwertsteuerpflichtig?
Grundsätzlich gilt, wer in der Schweiz ein Unternehmen betreibt, unabhängig von Rechtsform, Zweck und Gewinnabsicht, wird ab einem Umsatz von 100 000 Franken steuerpflichtig, sofern er nicht von der Steuerpflicht befreit ist. Die Landwirte haben eine Sonderregelung und sind mit dem Verkauf im eigenen Betrieb gewonnenen Erzeugnissen (Urproduktion) von der Steuer ausgenommen. Als Urprodukte gelten grundsätzlich nur unverarbeitete Produkte. Bei Produkten, welche typischerweise im Betrieb des Urproduzenten selbst oder teils ausserhalb des Betriebes verarbeitet werden, ist trotzdem von einer Lieferung eigener Erzeugnisse auszugehen. Die Art der Vermarktung und der Abnehmerkreis spielen keine Rolle.
Erzielen die Urproduzenten Umsätze, die nicht von der Steuer ausgenommen sind, wird beim Überschreiten der massgebenden Umsatzgrenze von 100 000 Franken die Steuerpflicht ausgelöst. Alle Erzeugnisse von nichtlandwirtschaftlichen Umsätzen/Leistungen werden anhand der Buchhaltung oder mittels anderen geeigneten Aufzeichnungen ermittelt. Wird die oben erwähnte Betragsgrenze erreicht, muss sich der Betrieb bei der eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) anmelden.
Umsatzermittlung
Die Umsatzermittlung ist in der Praxis nicht immer einfach. Wie erhält man den steuerpflichtigen Umsatz, wenn das Hofladensortiment mittels Zukäufen ergänzt wird und eine Trennung beim Verkauf zwischen den eigenen Urprodukten und den zugekauften Produkten nicht möglich ist? Für die Ermittlung der Betragsgrenze kann in diesem Fall der Aufwand des zugekauften Sortimentes mit einer üblichen Handelsmarge multipliziert werden. Wird der Betrieb dadurch steuerpflichtig und kann er die Zukäufe nicht von der eigenen Produktion gesondert in Rechnung stellen, muss vom ganzen Verkauf die Mehrwertsteuer abgerechnet werden (z. B. ganzer Hofladenumsatz). Ist eine Trennung möglich, muss nur auf dem Umsatz der zugekauften Produkte die Mehrwertsteuer entrichtet werden.
Abrechnungsmethode
Für die Abrechnung kann zwischen den Methoden «Saldosatz» und der «Effektiven» Abrechnungsmethode ausgewählt werden, mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen. Bei der Saldosatz-Methode wird eine halbjährliche Abrechnung auf den erzielten Umsätzen verlangt. Diese Abrechnungsart ist einfach, erfordert einen geringen administrativen Aufwand und die Risiken für Abrechnungsfehler sind gering. Je nach Tätigkeit unterliegen die Erlöse unterschiedlichen Sätzen. Es sind maximal zwei Sätze möglich. Nachteilig ist, dass keine Vorsteuer auf den Lieferantenrechnungen und Investitionen geltend gemacht werden kann.
Bei der Effektiven-Methode muss vierteljährlich abgerechnet werden. Dadurch entsteht, im Vergleich zur Saldosatz-Methode, ein höherer administrativer Aufwand. Im Gegenzug kann, auf den Lieferantenrechnungen und Investitionen, die Vorsteuer geltend gemacht werden. Diese Methode ist besonders bei grösseren Investitionen sinnvoll. Zwei wesentliche Nachteile bei dieser Methode sind, dass Fehler beim Vorsteuerabzug gemacht werden können und dass auf Subventionen (dazu zählen im mehrwertsteuerlichen Sinne auch die Direktzahlungen) eine Vorsteuerkorrektur erfolgen muss.
Anmelden bei der ESTV
Wird ersichtlich, dass die Mehrwertsteuer abgerechnet werden muss, kann die Anmeldung einfach über die Homepage der ESTV erfolgen. Werden mehrwertsteuerpflichtige Tätig keiten neu aufgenommen oder ausgebaut und es ist nicht von Beginn weg sicher, ob die benötigte Umsatzgrenze erreicht wird, ist spätestens nach Ablauf von drei Monaten eine Beurteilung vorzunehmen. Wenn aufgrund der Neubeurteilung anzunehmen ist, dass die Umsatzgrenze überschritten wird, endet die Befreiung der Steuerpflicht. Die Anmeldung kann dann wahlweise rückwirkend auf Aufnahme bzw. Erweiterung der Geschäftstätigkeit erfolgen oder auf den Zeitpunkt des vierten Monats.
Korrekte Rechnungsstellung
Egal nach welcher Methode der Betrieb abrechnet, er muss immer die effektiven MWST-Sätze auf den Verkaufsdokumenten ausweisen (Stand 2018: Normalsatz 7,7 %, Sondersatz 3,7 %, reduzierter Satz 2,5 %). Damit der vorsteuerberechtigte Betrieb Vorsteuern geltend machen kann, muss das Verkaufsdokument gewisse Formvorschriften erfüllen, diese sind im Art. 26 MWSTG definiert. Kommen auf dem Dokument verschiedene Sätze zum Tragen, muss ersichtlich sein, welche Positionen mit welchem Satz abgerechnet werden. Wird auf dem ganzen Verkaufsdokument ein Mehrwertsteuer-Satz angewendet, reicht der Zusatz beim Total «inkl. 7,7 % MWST».
Vorsicht: Mit dem Ausweisen der Mehrwertsteuer auf einem Verkaufsdokument, muss der Rechnungssteller die Umsatzsteuer der ESTV abliefern, auch wenn er gar nicht der MWST unterstellt ist. Er hat diese Rechnung freiwillig der Mehrwertsteuer unterstellt (optiert). Der Rechnungsempfänger kann dann die Vorsteuer geltend machen, wenn er nach der «Effektiven» Methode abrechnet und die Aufwendungen für den im Betrieb des mehrwertsteuerunterstellten Bereichs gehören.
Anmeldepflicht
Die Mehrwertsteuer ist eine Selbstdeklarationssteuer. Hier gilt dasselbe Prinzip wie bei den üblichen Steuern, wenn man sich nicht anmeldet: Eine Selbstanzeige ist einmalig straffrei möglich. In diesem Fall muss die Mehrwertsteuer für die letzten fünf Jahre mit Verzugszinsen nachbezahlt werden. Da die Mehrwertsteuer nicht in der Verkaufsmarge einkalkuliert wurde, wird der Gewinn kleiner, da die Steuer nicht nachträglich auf den Endkunden abgewälzt werden kann. Deckt allerdings das Steueramt selber die versäumte Mehrwertsteu-er-Anmeldung auf, wird ein Nachund in der Regel auch ein Strafsteuerverfahren eröffnet. Es muss mit Bussen, einem Steuerhinterziehungsverfahren und in schweren Fällen sogar mit einem Steuerbetrugsverfahren gerechnet werden.
Fazit
Die in der Urproduktion tätigen Landwirtschaftsbetriebe sind grundsätzlich von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Wird jedoch die Umsatzgrenze von 100 000 Franken mit steuerpflichtigen Leistungen erreicht, ist eine Anmeldung bei der ESTV unumgänglich. Vorgängig ist eine umfangreiche Situationsanalyse zu erstellen, damit für das eigene Unternehmen, die bestmögliche Abrechnungsmethode gefunden werden kann.