Aufgrund der starken Verflechtung verschiedener Lebensbereiche in der Landwirtschaft, ist es wichtig, dass die betroffenen Personen die Konsequenzen von den Entscheidungen, die im Rahmen der Trennung und Scheidung getroffen werden, genau kennen und nicht unüberlegt Abmachungen für die Zukunft eingehen. Das bedingt zum einen, dass beide Ehegatten in guter psychischer Verfassung sind, um Entscheide aus eigenem Willen fällen zu können. Zum andern ist es nötig, dass beide die Rechte kennen, welche ihnen zustehen, und die Pflichten, welche sie übernehmen müssen. Dazu ist es notwendig, professionelle Hilfe beizuziehen. Ratschläge und Tipps von Verwandten, Bekannten und Nachbarn sind nicht mit professioneller Hilfe zu verwechseln. Diesen Personen fehlen die nötige Unabhängigkeit, Distanz und das spezifische Wissen, um fundiert unterstützen zu können.
Grundsätzlich wird unterschieden zwischen personenbezogener, psychologischer Hilfe und Hilfe für die Erarbeitung der Trennungsvereinbarung bzw. Scheidungskonvention.
Personenbezogene Hilfe
Unter psychologische Hilfe fallen Aspekte rund um die eigene Psyche, die emotionale Verfassung sowie die Verarbeitung der Trennung. In diesem Zusammenhang können als erste An laufstellen Ehe- und Familienberatungsstellen in der Umge bung kontaktiert werden. Sie werden die weiteren Schritte und Kontakte zu den spezifischen Fachpersonen in die Wege leiten.
Hilfsangebote bei Scheidung
Um für alle Beteiligten eine objektive und faire Lösung zu finden, empfiehlt es sich, eine Fachperson beizuziehen, welche sich nicht nur in Scheidungsfragen auskennt, sondern auch spezifische Kenntnisse der Landwirtschaft aufweist.
Bei der Wahl der Fachperson ist es wichtig, das es auch zwischenmenschlich stimmt. Schliesslich ist eine Scheidung ein zentrales Ereignis im Leben, bei dem wichtige Entscheide für die weitere Zukunft gefällt werden. Wenn kein Vertrauen zur Fachperson aufgebaut werden kann, lohnt es sich deshalb immer, die Beratungsperson zu wechseln.
Informieren – wann immer möglich
Ehescheidung in der Landwirtschaft – wo drückt der Schuh?
Anne Challandes: In der Landwirtschaft besteht zwischen Vermögenswerten, Einkommen und Investitionen oft keine klare Trennung und teilweise liegen nur unvollständige Unterlagen vor. Bei einer Scheidung kann die güterrechtliche Auseinandersetzung erheblich komplizierter sein, als es in der Theorie erscheinen mag und zu problembeladenen, ja dramatischen Situationen führen. Trennung und Scheidung haben in verschiedenen Bereichen einschneidende Auswirkungen und in den meisten Fällen ist es der Nichteigentümer, der mit tiefgreifenden Veränderungen konfrontiert wird.
Welcher Stellenwert hat das Thema «Ehescheidung» in Ihrem Verband?
Challandes: Dies ist ein wichtiges und zentrales Thema von uns. Die aktuelle Debatte über die soziale Absicherung der Eheleute in landwirtschaftlichen Betrieben beschreibt nur einen Teil des Problems. Von Belang sind auch die finanziellen und unterhaltsrechtlichen Fragen.
Welche Unterstützung bietet Ihr Verband an?
Challandes: Auf unserer Homepage unter der Rubrik «Frau und Mann» bieten wir Infos, die sich mit Fragen zu den Themenfeldern Paarbeziehung, Ehe und deren Auflösung sowie Auswirkungen auf das Vermögen befassen. Über «Hilfe und Unterstützung» können Personen, die Hilfe benötigen, mit kompetenten Fachleuten Verbindung aufnehmen. Wir weisen jedoch bei jeder möglichen Gelegenheit darauf hin, wie hilfreich Gespräche und vorgängige Regelungen zwischen den Eheleuten sind, bevor es zu einer Eskalation kommt. Die Aspekte des Zusammenlebens und der Ehe werden in der Ausbildung zur Bäuerin ebenfalls behandelt.
Was raten Sie persönlich einem bäuerlichen Ehepaar, wenn eine gemeinsame Zukunft unmöglich erscheint?
Challandes: Wenn eine Trennung unumgänglich ist, erachte ich es als vernünftig, sich bei einer kompetenten Fachperson beraten zu lassen. Manchmal sollten vom Gericht Schutz- oder vorübergehende Massnahmen angeordnet werden. Wenn dies noch möglich ist, dann ist es sinnvoll, während des Trennungs- und Scheidungsverfahrens eine angemessene Kommunikation zwischen den Ehegatten aufrechtzuerhalten, damit die Angelegenheit einvernehmlich geregelt werden kann. Dies ist umso wichtiger, wenn Kinder da sind, die vor konfliktbeladenen Beziehungen zwischen den Eltern geschützt werden sollten, da sie sonst in einen nur schwer zu ertragenden Loyalitätskonflikt geraten.
Sich möglichst früh beraten lassen
Ehescheidung in der Landwirtschaft – wo drückt der Schuh?
Martin Goldenberger: Der Schuh drückt überall, an allen Seiten und Enden! Funktioniert das Zusammenleben, kann es eine wunderbare und bereichernde Zeit sein, gemeinsam einen Betrieb aufzubauen und zu entwickeln. Scheitert die Beziehung, scheitert das ganze System Familienbetrieb. Der wunde Punkt liegt meist darin, dass die Eheleute zulange warten, bis sie sich aussprechen. Erfahrungsgemäss ist eine für beide Seiten tragbare Lösung möglich, wenn bereits in einem frühen Stadium der Trennung die Beratung einsetzen kann.
Welcher Stellenwert hat das Thema «Ehescheidung» in Ihrem Verband?
Goldenberger: Der Schweizer Bauernverband (SBV) beschäftigt sich seit Jahren mit der Thematik. Es ist aber recht schwierig, darüber zu informieren, betrifft es doch immer die ganz private Seite des Bauernehepaares. Ausserdem sind die Gegebenheiten bei jeder Scheidung verschieden, weshalb pauschale Aussagen kaum möglich sind. Die Agriexpert-Fachpersonen schreiben laufend Artikel und halten Vorträge dazu.
Welche Unterstützung bietet Ihr Verband an?
Goldenberger: SBV Agriexpert bietet Bäuerinnen und Bauern seit Jahren eine kompetente Beratung zu allen Fragen des Familienrechts an. Dazu gehören Verträge mit Konkubinatspaaren sowie alle Facetten einer Eheschliessung, Trennung oder Ehescheidung. Heute beschäftigt Agriexpert vier Juristen – darunter drei Frauen –, welche die Parteien bei einer Scheidung beraten. Sind agronomische Fragen zu bearbeiten, wird intern eine Person mit dem entsprechenden Wissen beigezogen. Unsere Dienstleistung richtet sich an Ehepaare, die eine einvernehmliche Scheidung beabsichtigen. Ziel ist es, eine Scheidungsvereinbarung zu erstellen, welche sowohl den Vorstellungen der Ehegatten als auch den gesetzlichen Grundlagen entspricht.
Was raten Sie persönlich einem bäuerlichen Ehepaar, wenn eine gemeinsame Zukunft unmöglich erscheint?
Goldenberger: In einem Gespräch sind die Wünsche und Bedürfnisse bzw. das Nichterfüllen derselben offen zu legen. Danach gilt es, die neuen Ziele zu formulieren und den Weg festzulegen, wie die Trennung/Scheidung vonstattengehen soll. Dabei ist ganz wichtig, dass mit dem Vollzug der einvernehmlichen Scheidung eine Person/Organisation beauftragt wird, zu welcher beide, Frau und Mann, das Vertrauen haben.
Wo finde ich Beratungspersonen?
Persönliche/psychologische Beratung ➞ Allgemein:
- Eheberatungsstellen der Gemeinden oder der Kantone
- Sozialdienste der Gemeinden
- Beratungsstellen der Kirchen
➞ Landwirtschaftsspezifisch:
- Bäuerliches Sorgentelefon, Tel. 041 820 02 15 www.baeuerliches-sorgentelefon.ch
Rechtsberatung ➞ Allgemein:
- Kantonale Verzeichnisse der Anwältinnen und Anwälte
➞ Landwirtschaftsspezifisch:
- Kantonale und private landwirtschaftliche Beratungsstellen und Verbände
- Beratung Schweizer Bauernverband Agriexpert ➞ www.agriexpert.ch
- Coaches/MediatorInnen oder RechtsanwältInnen in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum www.landfrauen.ch
- Hofkonflikt – Netzwerk Mediation im ländlichen Raum; Mediatorinnen und Mediatoren mit landwirtschaftlichem Fachwissen ➞ www.hofkonflikt.ch