Meisterlandwirt Christoph Aeschlimann hat schon einige Projekte angerissen. Er führt im bernischen Thörigen einen Vollweidebetrieb mit 23 ha LN, knapp 5 ha Wald, Ackerbau und Lohnarbeiten. Seit 18 Jahren organisiert er mit einem Team jährlich seine «Holzschnitzu»-Party mit rund 7000 Besuchern. Er ist bei der Feuerwehr, und im Jahr 2019 übernahm er mit zwei Freunden die Pilzland GmbH. Er gibt zu: «Manchmal ist es viel, aber ich mag es, wenn etwas läuft.»
Für sein Edelpilzprojekt hat der Landwirt den Lehrgang Agripreneur am Inforama absolviert. «Ich erhoffte mir, dass sich im Lehrgang mögliche Vorgehensweisen herauskristallisieren würden, wie wir das Projekt am besten anpacken», erklärt Aeschlimann.
Auf einen Blick fassbar
Besonders nützlich fand er das Modell Canvas. Mit diesem Modell kann man ein Projekt oder einen Betriebszweig visualisieren. Das Modell umfasst neun Schlüsselbereiche, die alle miteinander in Beziehung stehen (siehe Grafik).Das Modell kann man aufhängen, wo es gut sichtbar ist, sei es im Stall, in der Werkstatt oder im Büro. Die einzelnen Schlüsselbereiche lassen sich nun mit Kärtchen und Reissnägeln oder mit Post-its bestücken. Das Resultat ist ein Geschäftsmodell, das auf einen Blick fassbar ist, ohne einen zigseitigen Businessplan lesen zu müssen.
Mit Leitfragen Auswirkungen erkennen
Das Modell hat einen gewichtigen Vorteil gegenüber anderen Unternehmensführungsmodellen: Canvas umfasst alle Schlüsselbereiche auf einmal. Passt man zum Beispiel seine Zielgruppe an, erkennt man sofort, welche Auswirkungen dies auf das Angebot (Kundennutzen) hat. Diese Auswirkungen werden einem sofort bewusst, wenn man die Leitfragen konsequent anwendet – sei dies in den Schlüsselbereichen Kundenbeziehung oder Kundennutzen. So läuft man nicht Gefahr, ein Produkt zu entwickeln oder eine Dienstleistung anzubieten, für die keine Kundengruppe vorhanden ist.
Pilzproduktion im eigenen Garten
Christoph Aeschlimann, Christoph Stalder und Martin Müller übernahmen die Pilzland GmbH im Jahr 2019 von Gründer Tobias Furrer. Die Firma ist heute spezialisiert auf die natürliche Produktion von Speisepilzen mit Bio-Substrat, das Ausrichten von Events und Kursen sowie den Vertrieb von Material zur Pilzproduktion für den eigenen Pilzgarten.
Vom Papier in die Praxis
Christoph Aeschlimann und seine Partner arbeiteten intensiv mit Canvas. Die Planung mit dem Modell funktionierte sehr gut. «Aber irgendwann kommt der Moment, da muss man weg vom Papier und einfach ausprobieren», ist der Landwirt überzeugt. Erst dann weiss man, ob die Annahmen, die man in der Theorie getroffen hat, auch wirklich eintreffen. Aeschlimann und seine Partner passten ihre Stossrichtung im Projekt «Edelpilze» schon mehrmals an. «Manchmal kommt es auf gewisse Schlüsselpartner an», erklärt Aeschlimann. Diese Beziehungen muss man erst aufbauen, und mitunter sieht man erst in einem zweiten Schritt, welche Auswirkungen diese auf die anderen Schlüsselbereiche haben.
Das kann auch umgekehrt sein, also produktionsseitig. Christoph Aeschlimann tüftelt intensiv an einem eigenen Substrat, auf dem die Pilze wachsen sollen. «Das macht sonst kaum jemand», weiss Aeschlimann. Mit dem eigenen Substrat möchte er dem Produkt einen Mehrwert verschaffen, welcher der Kundengruppe einen Nutzen bietet, wie beispielsweise Regionalität oder Qualität. Am Canvas-Modell schätzt Aeschlimann, dass man die eigenen Stärken sehr gut erkennt: «Es kann sein, dass man in drei Vierteln der Schlüsselbereiche schon top ist und nur an einem Viertel intensiv gearbeitet werden muss.» Das zu wissen, bestärke einen, erklärt Aeschlimann. Denn allzu oft habe man nur vor Augen, was nicht gut laufe.
Mit Canvas bei der Bank vorsprechen
In den Schlüsselbereichen «Kostenstruktur» und «Erlösquellen» wird unter anderem gerechnet. Danach lassen sich relativ einfach weitere Berechnungen anstellen, die über die Wirtschaftlichkeit und die Tragbarkeit des Projekts Auskunft geben. Steht das einmal, ist es nur noch ein kleiner Schritt, aus dem Modell einen Businessplan zu erstellen. Dieser könnte notwendig sein, wenn es um finanzielle Mittel bei der Bank geht. Oder warum nicht einfach das ganze Modell mitnehmen und damit bei der Bank eine Präsentation halten? Für die potenziellen Kreditgeber kann eine Präsentation mit Canvas vielleicht eine willkommene Abwechslung zum herkömmlichen Businessplan sein. Es ist einfach zu erklären, man vergisst nichts, und alle sprechen vom Gleichen.
Den Blick fürs Ganze nicht verlieren
Vor allem Letzteres schätzt Christoph Aeschlimann an Canvas: «Wir sprachen immer alle vom Gleichen.» Hatte einer der Kollegen eine Idee oder einen Input, konnte er dies mit einfachen Mitteln den anderen darlegen. «Wir entwickelten das Modell immer weiter und behielten dabei stets den Blick für das Ganze», hält Christoph Aeschlimann zusammenfassend fest. Das Modell sei dynamisch und dies passe zu den drei Jungunternehmern.
Und wie geht es jetzt mit dem Projekt «Edelpilze» weiter? Christoph Aeschlimann verrät, dass das Projekt jetzt in einer heissen Phase ist, was die Verhandlungen mit den künftigen Schlüsselkunden angeht. «Wir haben das Canvas in den letzten sechs Monaten ruhen lassen», erklärt er. Jetzt komme aber bald der Zeitpunkt, das Modell wieder hervorzunehmen und den Blick nochmals auf alle Schlüsselbereiche zu richten und diese allenfalls anzupassen.
Weiterbildung
Bisherige Denkmuster durchbrechen und neue Ideen anpacken: Mit Wissen und Werkzeugen aus der Jungunternehmerszene werden Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter bei der Entwicklung und Umsetzung von neuen Ideen und Betriebszweigen unterstützt. Weitere Infos: www.inforama.ch ➞ Agripreneur