Hinter dem Hof die Aare, vor dem Hof die fast unverbaute Sicht auf die majestätische St. Ursenkathedrale in Solothurn. Über die Lage des Betriebes der Familie Lehmann kann manch einer neidisch werden. Welcher Bauer hat schon die Möglichkeit, nach getaner Arbeit rasch einen Sprung in einen Fluss zu machen? «Dieser exquisite Standort war mitunter ein Grund, warum ich mich entschieden habe, den Betrieb meiner Eltern zu übernehmen», schmunzelt David Lehmann. Neben den unzähligen Vorzügen der Ufernähe besteht jedoch auch eine ernstzunehmende Gefahr: Die Familie Lehmann musste den Spielplatz ihrer beiden Kinder Andrin und Jannis gut umzäunen. Der Hof grenzt an die touristischen Attraktionen der Stadt. Die Badi Solothurn ist bloss 1 km entfernt, das Stadtzentrum von Solothurn rund 5 km. Auch der Campingplatz liegt in unmittelbarer Nähe. Der nächste Nachbar ist die Bootswerft Lehmann, mit dem die Familie ein lockeres, einvernehmliches Nachbarschaftsverhältnis pflegt. Die vorbeituckernden Boote stören die Lehmanns ebenso wenig wie die weidenden Kühe den Bootsbauer.
Toleranz ist gefragt
Was dem Bauer mehr Geduld abverlangt, ist der Spazier- und Radweg, der unmittelbar vor dem Hof durch das weite, schöne Gebiet der Solothurner Witi läuft. Eine Schutzzone, in der offene Ackerlandschaften erhalten werden sollen. Ein Lebensraum, der für Tiere und Pflanzen, insbesondere für Vogelbrutstätten und Hasen von nationaler Bedeutung ist. Zugleich ist die Witi am Jurasüdfuss auch ein Naherholungsgebiet. Da herrscht an schönen Wochenenden Hochbetrieb. Massenweise tummeln sich Städter zu Fuss oder mit dem Fahrrad auf dem Weg vor dem Hof. Ab dem Muttenhof herrscht ein Fahrverbot. Weil aber manche glauben, dies sei schon vor dem Abschnitt bis zum Hof der Fall, muss sich die Familie hin und wieder einiges anhören. David Lehmann wünscht sich hier etwas mehr Toleranz.
Obwohl auf der Zufahrt zum Landwirtschaftsbetrieb mit grossen Lettern «Privat» steht, verirren sich des Öfteren die Spaziergänger und landen auf dem Hof. Das wäre grundsätzlich kein Problem, wenn da nicht «Niro» und «Zora» wären. Die Mischlingshunde bewachen das Gelände. «Die wissen genau, wer hier sein darf und wer nicht», meint Lehmann. Weil ein früherer Hund bei einem ungebetenen Besucher einmal zugebissen hat, musste die Familie auch schon mal für eine Spitalrechnung aufkommen. Darüber kann David Lehmann nur verständnislos den Kopf schütteln. Denn es ist unübersehbar, dass es sich um privates Gelände handelt, auch ohne die grossen weissen Buchstaben auf der Hofzufahrt.
Landleben der Moderne
David Lehmann arbeitet auswärts als Hardwareplaner in Langenthal und verbringt neben den Wochenenden nur einen Arbeitstag als Landwirt auf dem Muttenhof. Der 35-Jährige hat ursprünglich Elektroniker gelernt, war später an der Höheren Fachschule für Mikrotechnik in Grenchen und hat dann von 2013 bis 2015 die berufsbegleitende Nachholbildung auf der Rüti in Zollikofen absolviert. «Mit diesen Ausbildungen habe ich mir viele mögliche Optionen geschaffen», so Lehmann. Seit Anfang 2017 ist er Eigentümer des elterlichen Hofes, auf dem er Acker- und Futterbau betreibt und rund 50 Mastrinder und 15 Mutterkühe besitzt. Schon seine Eltern hatten neben dem Bauernbetrieb zusätzliche Nebenerwerbe. Der Vater hat sich mit seiner Firma «Hot-Stop Zäune GmbH» auf den Zaunbau spezialisiert. Marianne, die Mutter von David Lehmann, betreibt mitunter einen Partyraum im untersten Geschoss des vor sieben Jahren neuerbauten Bauernhauses. Es werden Hochzeiten, Geburtstage oder Konfirmationen gefeiert. Dank der zentralen Lage des Hofes empfängt sie hier Gesellschaften aus den verschiedensten Regionen der Schweiz. Werbung braucht sie dafür nicht zu machen. Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert reibungslos. «Eine weitere Möglichkeit wäre, in Zukunft Ferien auf dem Bauernhof anzubieten», meint David Lehmann auf seine Zukunftspläne mit dem Hof angesprochen. Die wunderbare Lage an der Aare – in Stadtnähe und trotzdem mitten in der Natur – wäre wie geschaffen dafür.