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Landleben

Am Ende eins mit der Natur

Der Wald ist seit jeher ein wichtiger Ort für die Menschen. Seit 1995 finden in der Schweiz sogenannte Baumbestattungen statt: Die Asche eines Verstorbenen wird bei den Wurzeln eines Baumes eingebracht. Seither nimmt die Anzahl Fried- oder Ruhewälder laufend zu, und mancher Waldbesitzer könnte sich einen guten «Zustupf» verdienen.

Am Baumstamm befinden sich zwei aufgemalte weisse Buchstaben auf grünem Grund als Kennzeichnung für einen Friedwaldbaum.

Am Baumstamm befinden sich zwei aufgemalte weisse Buchstaben auf grünem Grund als Kennzeichnung für einen Friedwaldbaum.

(Urs Oskar Keller)

Publiziert am

Journalist und Fotograf BR

Die Natur ist ein Kreislauf, in dem jeder Mensch einen Anfang und ein Ende hat. Das muss man so nehmen, wie es ist», sagt Peter Rutishauser (54), Landwirt in Hemmerswil, heute ein Ortsteil von Amriswil (TG). Sein Mischwald liegt rund 700 Meter von seinem Hof entfernt, wo sich seit 2000 einer von heute achtzig Friedwäldern in der Schweiz befindet. Ansonsten kümmern Rutishauser Fragen nach Leben und Tod wenig. Der Thurgauer Bauer beschäftigt sich hauptberuflich mehr mit seinen Kühen, Obstbäumen, dem Ackerbau und Wald (insgesamt 25 Hektaren Land mit Pacht).

Es begann mit einem Inserat

Sein Vater, Paul Rutishauser (87), von dem er vor 22 Jahren den Hof übernahm, sah 1999 ein Friedwaldinserat im landwirtschaftlichen Fachmagazin «UFA-Revue». Die Nutzungsidee von Friedwaldpionier Ueli Sauter fand er gut und einen «Zustupf» für den 89 Aren grossen Wald. Der Vertrag wurde unterzeichnet, die Bewilligung erteilt, und alles konnte im Grundbuch eingetragen werden. Auch für Sohn und Besitzer Peter Rutishauser stimmt das. «Ein Baum kostet über 4500 Franken, und ich erhalte einen vereinbarten Anteil.»

Rutishausers Friedwald

In seinem Wald im «Schmittenholz» über der Hauptstrasse Amriswil–Arbon gibt es Ahorn, wilde Kirschbäume, Linden, Walnuss, Douglasien, Fichten, Föhren und Vogelbeeren. «Es ist ein Mischwald mit über achtzig Bäumen, rund fünfzig davon sind bereits vom Friedwald belegt.» Peter Rutishauser pflegt seinen Wald gerne, welchen die Friedwald GmbH bis 2099 nutzen kann. Er hebt auch einmal eine Öffnung für eine Baumbestattung für das Unternehmen selbst aus. «Ein Loch für die Totenasche hat etwa einen Durchmesser von dreissig Zentimetern.» Viel Arbeit hat er mit dem Wald nicht, und das Grundstück soll möglichst «naturnah» bleiben. Mit einer Motorsense mäht er die Brombeerdornen ab und entfernt dürres Geäst. Der Zugang für Angehörige und Freunde der Bestatteten soll immer möglich sein. Naturnah – das ist für viele Menschen ein wichtiges Argument für den Bestattungswald, weiss Rutishauser, der auch einmal mit Trauernden oder Besuchern ins Gespräch kommt. Auf seinem Hof gibt es auch Parkmöglichkeiten. Ab und zu schaut Thomas Brändle, der ausgebildete Forstwart und Beauftragte der Friedwald GmbH, vorbei und steht ihm mit Rat und Tat zur Seite. In den vergangenen zwanzig Jahren hier auf dem Amriswiler Friedwald habe Rutishauser nie da ran herumstudiert, dass auch er einmal hier liegen werde. Seine Eltern haben dagegen bereits einen Baum ausgesucht. Peter Rutishauser besitzt in Oberaach einen anderen Mischwald mit Eichen. Er könnte sich einen weiteren Friedwald dort gut vorstellen.

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Peter Rutishauser (Landwirt und Friedwaldbesitzer Hemmerswil)

(Urs Oskar Keller)

Die Natur ist ein Kreislauf, in dem jeder Mensch einen Anfang und ein Ende hat. Das muss man so nehmen, wie es ist.

Peter Rutishauser

Fast 100 Jahre geschützt

Da in der Schweiz, im Gegensatz zu Deutschland, Österreich oder Italien, kein Friedhofzwang besteht, dürfen die Angehörigen nach einer Kremation über die Asche des Verstorbenen frei verfügen. Sie können die Urne mit nach Hause nehmen; sie können die Asche, ohne Spezialbewilligung, selber in einen Fluss oder zu den Wurzeln eines Baumes schütten. Oder aber sie ziehen einen offiziellen Naturbestatter wie die Firma «Friedwald» bei, deren Wälder im Grundbuch eingetragen sind und daher jeder Bestattungsbaum für bis zu 99 Jahre vom Waldbesitzer nicht gefällt werden darf.

Fachberatung durch einen Forstwart

Szenenwechsel. Ein regnerischer Frühlingstag hoch über Ermatingen am Untersee. Hier befindet sich seit 2004 ein insgesamt fünf Hektaren grosser Friedwald. Er ist einer der grössten von bislang 14 im Kanton Thurgau. Es ist ruhig und das Laub verschluckt die Trittgeräusche von Thomas Brändle (41), der da unterwegs ist. Der Forstwart und Unternehmer (Brändle Forst GmbH) aus Mettendorf (TG) arbeitet seit 2008 im Auftragsverhältnis als Fachberater für waldbauliche Begleitung bei der Friedwald GmbH. Er ist für alle 80 Standorte in der ganzen Schweiz zuständig. Heute ist er für die Vorbereitung einer Baumbestattung im Ermatinger Bürgerwald anzutreffen.

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Für die spätere Bestattung wird eine kleine Schaufel in das Loch gelegt.

(Urs Oskar Keller)

Die Bestattung vorbereiten

Mit einem Pflanzloch-Bohrgerät mit Benzinmotor macht Brändle neben einer kleinen Eibe ein rundes Loch. Hier soll bald die Asche einer Verstorbenen bestattet werden. Brändle: «Man schaut natürlich, dass man die Baumwurzeln nicht verletzt und genug Abstand zum Stamm hat.» In der etwa 50 Zentimeter tiefen Öffnung entfernt er mit einer Baumschere noch die kleinen Wurzeln. Anschliessend legt der Forstwart eine neue Handschaufel für die spätere, private Bestattung der Asche ins Loch. Nun wird alles mit einem runden Stück Holz und Tannenzweigen schön abgedeckt. Um den Baum entfernt Brändle noch das störrische Gestrüpp. Die Bestattung findet am nächsten Tag statt. Mehr weiss er nicht. Die Menschen trauern heute, wie sie wollen, und sie bestatten auch so. «Pro Baum», so Thomas Brändle, «sind maximal bis zehn Beisetzungen festgelegt. Man fängt damit im Norden an, dann weiter nach Süden, Osten und Westen. Darüber wird im Friedwaldsekretariat in Mammern ein genaues Register geführt.» Es gibt auch Baumbestattungen, wo die Asche des geliebten Haustieres mit ins Grab der Familie kommt.

Nach der Beerdigung

Hat die Beisetzung der Asche stattgefunden, soll alles genauso aussehen wie vorher. Bei einem späteren Rundgang in einigen Tagen kontrolliert Brändle, dass der Waldboden wieder wie vorher angeglichen ist. Gelegentlich muss er auch Grabschmuck im Wald beseitigen, der ist nicht erlaubt. «Kerzen oder etwas Persönliches hintun, das darf man nicht. Das ist manchmal schwierig durchzusetzen. Man muss immer schauen. Eine undankbare Aufgabe», sagt Brändle. Wenn es eine Beisetzung ist, können sie einige Rosenblätter hinlegen, die dann ja eh verwelken. Jeder Waldspaziergänger, der hier vorbeikommt, wird kaum bemerken, dass an dieser Stelle eine Baumbestattung stattfand. Das ist auch so gewollt. Die Menschen wissen anhand eines Plans, wo ihre Angehörigen beigesetzt sind. «Es ist ein normaler Wald», betont Forstfachmann Brändle. 

Friedwald: Bedingungen und Aufwand

– Ab einer Hektare Mischwald; bevorzugt Eichen, Buchen, Ahorn 
– Alter des Bestandes: ab Baumholz 
– Der Wald sollte zu Fuss begehbar sein 
– Parkplatz im Umkreis von zirka einem Kilometer für mindestens drei bis vier Autos 
– Mögliche Waldeigentümer: Private, Gemeinden, Korporationen etc. 
– Künftige «Friedwaldbäume» werden markiert und bei der Waldpflege begünstigt, damit sie vital und stark werden 
– Weiterhin normale Wald- und Holznutzung möglich

Unser Tipp

Informationen und Quellen

– Friedwald GmbH, 8265 Mammern (TG), Telefon + 41 52 741 42 12, info@friedwald.ch, www.friedwald.ch

– Mitteilungsblatt zum Thema Friedwald als Hilfe für Bewilligungsbehörden: Bezug bei Konferenz für Wald, Wildtiere und Landschaft (KWL), Telefon + 41 31 320 16 40, info@kwl-cfp.ch, www.kwl-cfp.ch

– Meistens wird ein Baumbestattungswald als nachteilige Nutzung nach Artikel 16 des Waldgesetzes bewilligt

Departement für Bau und Umwelt (DBU), Kanton Thurgau, Rechtsgrund lagen für letzte Ruhestätten im Thurgauer Wald (genehmigt 3. März 2021)

Friedwald-Pionier Ueli Sauter

In die Schlagzeilen kam Ulrich «Ueli» Sauter, Jahrgang 1941, der aus einer Kreuzlinger Steinhauer-Dynastie entstammt, weil er schon 1994 versuchte – zuerst in Steckborn, dann in Mammern am Untersee TG –  einen Friedwald zu pflanzen. Der Elektroingenieur gilt als eigentlicher Erfinder der Idee, die Asche von Verstorbenen im Wald bei den Wurzeln eines Baumes zu bestatten. Sein patentiertes Geschäftsmodell mit dem Namen «Friedwald» (Organisation und Durchführung von Naturbestattungen) betreibt er seit 1995 und hat es 2000 auch erfolgreich nach Deutschland exportiert. In der Schweiz umfasst sein Angebot aktuell 80 verschiedene Wälder in zwölf Kantonen, die eine Fläche von einer bis maximal fünf Hektaren umfassen. «Ein Nutzungsrecht kostet ab Fr. 4900 exklusive Mehrwertsteuer. Beim Baum dürfen dann bis zehn Bestattungen – die Sie bestimmen – vorgenommen werden», schreibt die Friedwald GmbH auf ihrer Webseite über ihr Geschäftsmodell. Ueli Sauter ist an weiteren Waldparzellen in der ganzen Schweiz interessiert. Er betont, dass schön gelegene Laub- und Mischwälder am meisten Erfolg haben, zum Beispiel mit Blick auf einen See, Fluss oder die Alpen. Solche Wälder gibt es beispielsweise in Mammern oder Tägerwilen am Bodensee oder auf dem Berner Hausberg Gurten. Ziel sei es, in schönen Waldregionen ein einheitliches und ökologisch anerkanntes Naturbestattungskonzept zu gewährleisten. «Wichtig ist für mich aber nicht nur ein schöner Wald, sondern ich erwarte auch, dass der Waldbesitzer mit Freude und Engagement hinter meiner Idee steht», so Ueli Sauter (80). Ein weiteres wichtiges Kriterium sind Parkplätze in der Nähe des Waldstücks. 

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