Lange Zeit sah es schwarz aus in der Kulinarik des Tales an der Muota. Feuer und Rauch standen Pate bei den Erzeugnissen: Schwarz vom Russ waren die Schwarten des luftgetrockneten Bauernspecks im Rauchfang über dem Holzherd, schwarz die Chäs-Chessi in denen die Milch für den Alpkäse schwitzte, schwarz die Wursthaut der Landjäger und die Kruste vom Schwarzbrot sowieso. Getrunken wurde dazu auch noch «Schwarzes»; so heisst im Tal der Kaffee bis heute. Aufgehellt werden kann er aber durch einen «Gutsch Träsch».
Abgeschiedenes Tal
Das lang gezogene und von Bergen umsäumte Schwyzer Bergtal hat seinen Zugang nahe dem Kantonshauptort Schwyz. Seine Ausdehnung erreicht beinahe die Fläche des Kantons Zug. Ein guter Teil des Muotatals ist aber hochliegendes Karstgebiet, das einzig als Schafweide genutzt werden kann. Erst vor gut 150 Jahren wurde es durch eine ausgebaute Strasse erschlossen. Das abgeschiedene «Thal» und seine Bewohner zelebrieren bis heute ihre Eigenheiten. Die Palette der kulinarischen Spezialitäten aber ist inzwischen bunt und appetitlich geworden – ob zum Zmorge, Znüni, Zmittag, Zabig oder Znacht.
Landwirtschaft stärken
Im Jahre 2008 gründeten zwanzig Bauernfamilien die Interessensgemeinschaft Agrotourismus Region Muotathal. Die IG entstand damals aus einer Arbeitsgruppe eines regionalen Entwicklungsprojektes, das zum Ziel hatte, den Strukturwandel in den abgelegenen Regionen etwas abzufedern: «Landwirtschaft stärken», war das Motto. Das Ziel war, die Produkte der Region bekannt zu machen und direkt anzubieten, was die Bewohner dem Alp- und Grasland abzuringen verstehen: Alpkäse und Butter, Fleischwaren, Honig, Kräuter, Birnenbrot, bis hin zum süssen, weissen Traum einer Muotathaler Rahmkirschtorte.
Immer mehr Konsumenten schätzen wieder einen persönlichen Kontakt zu den Produzenten ihrer Lebensmittel und möchten erfahren, woher sie kommen und von wem und wie sie produziert werden. Und sie fahren oder wandern auch gerne zu diesen hin.
Währschafte Genüsse
Das Angebot der Bauernfamilien ist vielfältig: Marianne und Oskar Pfyl produzieren in Ried aus der Milch der selten gewordenen Pfauenziege den «Muotitaler GeissChäs». Dieser wurde an der Alpkäseprämierung der Olma schon mehrfach prämiert.
Peter Ulrich, der oberhalb von Muotathal den Hof Enzenen bewirtschaftet, verkäst in der hofeigenen Käserei die Milch von seinen 60 Milchschafen zu zwei cremigen Sorten Rohmilch-Schafkäse.
Auch die Gruppe «Härzhafts us Mor-schach-Stoos» steuert eine bunte Auswahl bei, die auf den Höfen in dieser Region direkt angeboten werden: Käse, Trockenfleisch und Wurst, Alpbutter, Honig und Konfitüren, Baumnusskerne, gedörrte Apfelringli und Nidläzältli.
In der Traditionsbäckerei der Familie Schelbert – im Thal als «z’Conditers» genannt – werden Rahm, Früchte, Nüsse und Eier aus der Region zu köstlichen Krapfen, Birnenbroten, Torten und Desserts.
In der Metzgerei der Familie Heinzer werden die Tiere aus dem Muotathal noch selbst geschlachtet und geräuchert. Von der Schlachtung bis zum Verkauf einer Fleischspezialität dauert es da gut und gern vier Monate. Es steht beim Veredeln noch viel Handarbeit an: Das Fleisch wird zerlegt, gesalzen und mit hauseigener Gewürzmischung eingerieben, getrocknet, gepresst und erneut getrocknet. In der Rauchkammer, in welcher noch wie zu Grossvaters Zeiten tannige Sägespäne verglüht werden, hüllt der entstehende Glimmrauch die Fleischspezialitäten ein und sie bekommen so das intensive Raucharoma.
Um beste Qualität zu gewährleisten, wird nichts dem Zufall überlassen und die ganze Verarbeitung im eigenen Betrieb behalten. Ob Landjäger, urchige Speckseiten oder «Urwald-Schinken» – benannt nach dem 450 Hektar grossen, unberührten Fich-ten-Urwald Bödmeren am Pragelpass – geht alles mit Geschmacksgarantie über die Theke. Wurden einstmals auf den Bauernhöfen der kühle Herbst und der Winter für die Fleisch-Verarbeitung genutzt, so erlaubt eine moderne Klimaanlage im Betrieb von Heinzers das Fleischveredeln nun das ganze Jahr über. Auch im Frühling und Sommer kann bester Bauernspeck produziert werden mit Reifebedingungen zu perfekt abgestimmten Temperaturen und optimaler Luftfeuchtigkeit.
Alpchäsmärcht im Oktober
Der «Muotitaler Alpchäsmärcht» wurde von einigen initiativen Älplern im Jahr 1996 ins Leben gerufen. Die Idee war, den Alpkäse von hier einem breiteren Publikum bekannt zu machen und die Direktvermarktung zu fördern. Wenn den Produzenten zuvor finanziell – im Dialekt des Thals gesprochen – «Libärämänt nüüd» (= fast nichts) übrigblieb, so wird es nun «lengersimeh» (= immer mehr).
Alpkäse wird nur im Sommer hergestellt. Im Gegensatz zu Bergkäse, der mit Heumilch auch das ganze Jahr über gemacht werden kann, entsteht der Alpkäse aus der Milch der Kühe und Ziegen, die in den Sommermonaten hoch oben auf der Alp weiden. In den Alpkäsereien vom Wasserberg, von Tröligen, Pragel und Bödmeren wird er direkt aus der frischen Rohmilch hergestellt. Der Käse wird dann auch dort oben vor Ort gelagert und gepflegt. Produziert wird in der Regel ein vollfetter Halbhartkäse, der je nach Reifegrad sehr mild bis kräftig-würzig schmecken kann. Kein Alpkäse mundet gleich wie der andere: Lokal unterschiedliche Kräuter, Herstellungsmethoden und Traditionen der Alp prägen den Käse im Aroma und auch in Farbe, Form, Reifegrad und Härte. Sogar das Klima und die Dauer des Sommers können Kenner im Gout herausschmecken. Eines aber haben alle Alpkäse gemeinsam: Den einzigartig würzigen Geschmack, der von den frischen Alpkräutern stammt. Denn auf den Alpweiden wachsen hunderte verschiedene Kräuter und Gräser, während es auf intensiv genutzten Talwiesen heutzutage in der Regel nur mehr ein gutes Dutzend sind.
Regio-Shop an der Bahnstation
Im Dezember 2017 wurde die neue Stoosbahn in Betrieb genommen und erregte weltweit Aufsehen als steilste Standseilbahn der Welt. An der Talstation finden die Touristen nun einen von der Bahn betriebenen Regio-Shop, der von den Mitgliedern der IG «Guets vo üs Buure» mit Produkten beliefert wird. Die IG wurde schon bei der Planung des Shops mit einbezogen. «Der Verkauf an die Gäste von nah und fern florierte von Anfang an, sicher auch dank des schönen Wetters im vergangenen Sommer», meint Cornel Schelbert von der IG.