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Landleben

Keine Sauregurkenzeit

Auf dem Betrieb «Moosholz» in Kesswil am Bodensee werden seit 1986 Essiggurken angebaut. Mit drei Hektaren macht dies den Löwenanteil der Ackerfläche des Betriebs aus. Betriebsleiter Benjamin Vogel erwartet für dieses Jahr eine Ernte von 120 Tonnen.

Betriebsleiter Benjamin Vogel erwartet für 2023 eine Ernte von 120 Tonnen.

Betriebsleiter Benjamin Vogel erwartet für 2023 eine Ernte von 120 Tonnen.

(Urs Oskar Keller)

Publiziert am

Journalist und Fotograf BR

Grosse, grüne Flächen prägen die Gegend zwischen dem Bodensee und der Hauptstrasse von Güttingen nach Romanshorn (TG). Vor dieser Kulisse gedeihen auf drei Hektaren Land die Essiggurken von Benjamin Vogel. Bei einem Besuch Anfang Juli liegen auf dem 13 Meter breiten «Gurkenflieger» gerade zwölf Erntehelfer bäuchlings auf einer mit Schaumstoffmatratzen gepolsterten Liegefläche, die von einem Traktor gezogen wird. Das Fahrzeug, welches aus Deutschland stammt, bewegt sich dabei 16 bis 70 Meter pro Stunde.

Handarbeit par excellence

Die so liegend arbeitenden Helferinnen und Helfer pflücken die gerade einmal neun Zentimeter kleinen Gurken von Hand aus dem dichten Blattwerk. Im Durchschnitt können so pro Stunde und Person bis zu 15 Kilo Gurken gepflückt werden. Pro Hektare ergibt dies etwa 3000 Arbeitsstunden. Verarbeitet werden die Gurken von der Firma Reitzel Suisse SA im 300 Kilometer entfernten Aigle im Waadtland. Benjamin Vogel (35), Meisterlandwirt und Betriebsleiter, erwartet heuer eine Ernte von 120 Tonnen. «Über 20 osteuropäische Erntehelfer habe ich momentan auf unserem Betrieb angestellt», erzählt er. Die Personalkosten seien ein bedeutender Faktor bei der Produktion und entsprechend habe sich die Herstellung verteuert.

 

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Auf dem 13 Meter breiten sogenannten «Gurkenflieger» liegen zwölf Erntehelferinnen und -helfer bäuchlings auf einer mit Schaumstoffmatratzen gepolsterten Liegefläche, die von einem Traktor gezogen wird.

(Urs Oskar Keller)

Personalrekrutierung immer schwieriger

Das häufige Überpflücken, rund 23 Mal pro Feld und Reihe, bedinge viele Arbeitskräfte, aber das Rekrutieren des Erntepersonals sei eine grosse Herausforderung, weiss der Landwirt. Er arbeitet seit vielen Jahren mit polnischen und rumänischen Mitarbeitenden zusammen. Daraus habe sich ein kleines Netzwerk ergeben. «Es sind meistens junge Leute zwischen 20 und 30 Jahren, darunter auch Studierende. Trotz langjährigen Beziehungen wird es aber immer schwieriger, die notwendige Anzahl Personen zu finden», berichtet Vogel. Als Grund sieht er, dass vor allem die Jungen die körperliche Arbeit nicht mehr gewohnt seien.

Erste Versuche in den Achtzigerjahren

«Mein Vater machte 1986 die ersten Anbauversuche mit dieser Spezialkultur auf fünf Aren und dehnte die Fläche dann jährlich aus. Heute sind die Essiggurken vom Betrieb nicht mehr wegzudenken», erzählt Benjamin Vogel. Sein Vater Ferdinand baute 1996 selbst ein Gurkenpflückmobil für acht Personen und erweiterte gleichzeitig den Anbau auf eine halbe Hektare. Heute bewirtschaftet Benjamin Vogel zusammen mit seiner Lebenspartnerin Ilona Koziolkiewicz rund 19,5 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche auf dem eigenen Hof «Moosholz» in Kesswil. Er hat den Betrieb 2019 von seinem Vater übernommen. Hauptbetriebszweige sind seit 2012 der Anbau von Essiggurken, Erdbeeren und Kirschen. Zusätzlich baut Vogel Getreide, Raps und Mais an. Der Betrieb wird seit 2013 viehlos bewirtschaftet.

Arbeitsintensive Ernte

Die Gurke stammt aus der Familie der Kürbisgewächse und gehört zu den wirtschaftlich bedeutendsten Gemüsearten. Benjamin Vogel ist fasziniert von dieser alten Kulturpflanze: «Mir gefällt der ganze Prozess von der Saatbeet-Zubereitung, der Pflege bis zur Ernte. Auch der Kontakt mit den vielen Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Kulturen ist bereichernd. Die Samen kaufen wir über die IG Essiggurken Schweiz ein, welche diese in den Niederlanden bezieht.» Pro Hektare werden rund 40 000 Samenkörner benötigt.

Die Gurken werden Anfang bis Mitte Mai mit einer Direktsaatmaschine in den Boden gebracht. Hohe Nachttemperaturen über 16 Grad fördern das Wachstum. «Die Pflanzen sind frohwüchsig, und eine Gurke kann drei bis vier Zentimeter pro Tag wachsen. Anfang Juli beginnt die Ernte, welche in der Regel zehn Wochen dauert», erklärt der Landwirt. Die Ernte sei sehr arbeitsintensiv. Damit die Gurken marktfähig sind, müssen sie länger als vier Zentimeter (Cornichons sind maximal sechs Zentimeter lang), aber kürzer als neun Zentimeter (Essiggurken) sein. «Das bedingt, dass im Schnitt jeden zweiten Tag geerntet werden muss und dies über sieben Tage die Woche», fasst Vogel zusammen.

«Die Pflanzen sind frohwüchsig, und eine Gurke kann drei bis vier Zentimeter pro Tag wachsen.»

Benjamin Vogel

Mulchfolien und gesunde Böden

Die Essiggurken gedeihen auf schwarzen, biologisch abbaubaren Mulchfolien. Damit können Herbizide reduziert oder es kann ganz auf sie verzichtet werden. Die Folien sind auch für die Erntehelfer wichtig, denn bei zu viel Unkraut in den Reihen wird die Ernte der kleinen Gurken erschwert. Ein tiefgründiger, gesunder Boden mit ausgeglichener Nährstoffversorgung ist für diese Pflanze wichtig. «Die Gurke ist eine zehrende Frucht und verlangt eine gute Bodenstruktur ohne Bodenverdichtung», sagt Benjamin Vogel. Und welche Ansprüche stellen die Gurken an die Fruchtfolge? «Gurken sollten höchstens im Vierjahresrhythmus auf derselben Parzelle angebaut werden. Mit Nachbarbetrieben tausche ich Flächen ab, um die Anbaupausen auszuweiten und eine vielfältige Fruchtfolge zu haben», ergänzt der Landwirt.

Ein tiefgründiger, gesunder Boden mit ausgeglichener Nährstoffversorgung ist für diese Pflanze wichtig.

Mehltau und zu grosse Gurken

Der Falsche Mehltau ist seit Langem die gefürchtetste Pflanzenkrankheit bei den Gurken. «In der Tat», so Vogel, «stellt der Falsche Mehltau eine grosse Herausforderung dar. Es wird geschaut, dass der Bestand wegen des Mikroklimas nicht zu dicht wird. Mehltau-Nester müssen zeitnah behandelt werden.» Das Abstimmen von Pflanzenschutzmassnahmen und der Ernte, unter Berücksichtigung der Wartefristen, verlange eine minutiöse Planung, Erfahrung und Fingerspitzengefühl.

Was macht der Landwirt mit zu grossen Gurken? «Sie müssen ebenfalls geerntet werden, damit die Pflanze weiterblüht und Gurken produziert. Sie werden primär als Viehfutter verwendet oder kompostiert. Wir versuchen, so wenig wie möglich wegzuwerfen», fasst Benjamin Vogel zusammen.

Interessengemeinschaft Essiggurken

Die IG Essiggurken Schweiz wurde in den 1980er-Jahren in der Ostschweiz gegründet. Treibende Kraft war Peter Konrad (76), von 1980 bis 2012 Zentralstellenleiter für Gemüse- und Beerenbau des Kantons Thurgau am Arenenberg.Einer der ersten Präsidenten der IG Essiggurken war Bio-Landwirt Hansueli Mannale aus Hessenreute (TG). Später übernahm Ferdinand Vogel, Jahrgang 1953, das Präsidium der Interessengemeinschaft bis ins Jahr 2021. Heute gehören der Interessengemeinschaft 13 Mitgliederbetriebe aus den Kantonen Bern, St. Gallen, Thurgau und Zürich an, ein erster Bio-Betrieb steht in Zollbrück (BE). Die Anbaufläche beträgt total 16,5 Hektaren. Ziel der IG war und ist es bis heute, die Interessen gegenüber den Verarbeitenden zu verhandeln (früher, bis zur Schliessung, die Firma Delifrais SA in Carouge [GE], heute Reitzel Schweiz SA in Aigle [VD]). Die IG selbst wirft als Non-Profit-Organisation keinen Gewinn ab. In der Westschweiz existiert keine solche Vereinigung der Produzentinnen und Produzenten. Für das Jahr 2023 übernimmt die Firma Reitzel 730 Tonnen Gurken in fünf verschiedenen Kalibern. Die gesamte Anbaufläche beträgt in der Schweiz 31 Hektaren und verteilt sich auf 27 Betriebe (inklusive Bio).

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