Nutzung landwirtschaftlicher Fahrzeuge
Gemäss Verkehrsregelnverordnung (VRV) dürfen landwirtschaftliche Fahrzeuge nur im Rahmen der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebs benützt werden. Nichtlandwirtschaftliche Fahrten, das heisst, gewerbliche Fahrten mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen sind untersagt. Die kantonale Behörde kann Ausnahmebewilligungen für die gewerbliche Verwendung ausstellen, wenn es zwingend notwendig ist. Auch kann die kantonale Behörde gemäss Art. 90 Abs. 4 (VRV) die Verwendung landwirtschaftlicher Fahrzeuge bei Umzügen oder dergleichen gestatten. Hier ordnet sie nötigenfalls Sicherheitsmassnahmen an.
Man kommt kaum aneinander vorbei in der Halle der Galli Zunft in Kriens. Reges Treiben herrscht. Man hört die Frage: «Darf ich deine Kreissäge benützen?» und die Antwort: «Klar doch!» Es ist ein starkes Miteinander, obwohl jede Gruppe ihren eigenen Wagen baut. Man fragt sich, ob es denn hier keinen Konkurrenzkampf gibt, wer den schönsten Wagen baut? «Natürlich will jeder den allerbesten Wagen präsentieren, aber wirkliche Konkurrenz unter den Gruppen gibt es nicht», erzählt Werner Schnüriger jr. Er ist Präsident der Chnuschtis – eine der zahlreichen Wagenbaugruppen aus Kriens.
In nur vier Wochen
Die Zeit für die Wagenbaugruppen ist knapp. Die Wagen werden in einer Halle gebaut, die für die Organisation des Samichlauses genutzt wird, ein Grossanlass, bei dem über 900 Kinder beschenkt werden. Sobald aber die Samichlauszeit vorüber ist, wird die Halle für die Wagenbauer frei – in nur vier Wochen müssen die Wagen fertig sein.
Der grosse Fasnachtsumzug in Kriens findet jeweils am Güdisdienstag statt. «Obwohl viele Einwohner auswärts arbeiten und somit keinen Feiertag haben, verzeichnen wir jeweils zwischen 20 000 bis 22 000 Besucherinnen und Besucher», erzählt René Hug, Zunftmeister der Galli Zunft, stolz. Die Galli Zunft stellt nicht nur die Halle zur Verfügung – sie organisiert auch die Wagen und Traktoren, sowie die jeweiligen Fahrer. Die Bedingungen sind klar: Der Fahrer muss einen entsprechenden Führerausweis vorweisen können, Erfahrungen im Traktorfahren haben und der Fahrzeughalter muss einverstanden sein, dass diejenige Person sein Gefährt führt. In den meisten Fällen übernehmen Landwirte die Rolle des Fahrers selbst.
Brauchtums-Zunft
Die Galli Zunft wurde 1922 von angefressenen Fasnächtlern gegründet. Heute hat die Zunft 145 Mitglieder, sogenannte Zünftler. Ebenfalls sind 27 Vereine Kollektivmitglieder. Dazu gehören beispielsweise der Sportclub Kriens oder eben die Wagenbauvereine. Die Zunft wirkt als oberstes Organ bei der Organisation verschiedener Anlässe. «Mit den zahlreichen Vereinen sind wir an den Veranstaltungen eine riesige Truppe», erläutert Hug. Die Galli Zunft ist zwar ein Verein, doch als Zunft anders aufgestellt. Der Präsident ist der Zunftmeister und der Kassier wird als Säckelmeister bezeichnet. Ebenfalls gibt es diverse Insignien, wie zum Beispiel der Zunftmeisterstab oder die Gallivaterkette. Der Gallivater wird jedes Jahr neu gewählt und ist das Oberhaupt der Zunft.
Landwirte als Fahrer
2017 wurde Werner Schnüriger sen. zum Gallivater auserkoren. Schnüriger sen. ist Landwirt und lebt mit seiner Frau Rita auf ihrem Betrieb in Hinter Sienen, was auch zu Kriens gehört. Der frisch Gewählte fühlt sich seit langem mit der Fasnacht verbunden: Bereits vor rund 40 Jahren war er das erste Mal Fahrer für eine Wagenbaugruppe. «Ich habe mich immer sehr gerne als Fahrer zur Verfügung gestellt, wie auch meinen Traktor», erzählt Schnüriger sen., «In Kriens ist das Brauchtum und das gehört einfach dazu. Auch erhält man immer ein riesiges Dankeschön der Fasnachtsgruppen». Auch sein Sohn, Werner Schnüriger jr., ist seit seinem 14. Lebensjahr als Fahrer unterwegs. «Seit dem ersten Mal hat es mich gepackt und ich gehe jedes Jahr», erzählt er. Heute ist er, wie bereits erwähnt, selber bei der Wagenbaugruppe Chnuschtis mit dabei. Es sei eher speziell, dass er sowohl am Wagen mitbaut wie auch gleich der Fahrer sei, erklärt er.
Von der Idee zum Wagen
Bei den Chnuschtis wird in einer ersten Sitzung das Motto des Wagens besprochen. Dieses wird dann bei der Galli Zunft eingereicht. Der Archivar Fasnacht sammelt die Themen. Wer als erster ein Sujet einreicht, erhält dieses auch. Das Spezielle am Umzug in Kriens sei, dass die Gruppen aktuelle und auch lokale Themen wählen. «Jeder versteht bei der Betrachtung eines Wagens sofort, um was es geht», erzählt Schnüriger jr. Bei der Planung der Wagen gäbe es grosse Unterschiede. Die einen nutzen ein 3D-Programm am Computer, die Chnuschtis zum Beispiel arbeiten mit Handskizzen und es kann sich auch immer wieder mal etwas ändern. Das stellt den Archivar Fasnacht vor Herausforderungen: Er bestellt nämlich sämtliches Material von Schaltafeln bis hin zur Farbe für alle Gruppen, die in der Halle bauen. Die Galli Zunft setzt aber klar auf Wiederverwertung: Am Samstag nach dem Umzug wird «ausgenagelt». Die Wagen werden wieder auseinandergenommen und Material, das wiederverwendbar ist, wird sorgfältig verstaut.
«Ich habe mich immer sehr gerne als Fahrer zur Verfügunggestellt.»
Werner Schnüriger sen., Landwirt und Fasnächtler
Sicherheit im Fokus
Für die Galli Zunft steht beim Umzug und deshalb insbesondere beim Wagenbau die Sicherheit im Fokus. Jeder Wagen muss über Blenden rund um den Wagen zwischen Ladefläche und Boden verfügen. So wird verhindert, dass jemand unter den Wagen geraten kann. Ebenfalls gehen bei den meisten Gruppen vier Mitglieder mit. Zum einen vorne beim Traktor und zum anderen zwischen Traktor und Wagen. Dies, weil es für den Fahrer unmöglich ist, jeden Winkel ständig im Auge zu behalten. Die Traktoren und Wagen benötigen für Diese organisiert die Galli Zunft für den Umzug eine Spezialbewilligung. alle. So ist auch direkt die Versicherungsfrage für jeden einzelnen Wagen und Traktor geklärt. Dementsprechend ist es zwingend notwendig, dass auch die angemeldeten Traktoren erscheinen; diese müssen eingelöst sein. Die früheren Tagesnummern sind heute nicht mehr so einfach zu erhalten, denn auch dafür müssen die Traktoren, die älter als 15 Jahre sind, alle zwei Jahre die Fahrzeugprüfung des Strassenverkehrsamtes bestehen. «Dank dieser guten Vorbereitung mussten wir uns noch nie an den Notruf wenden», erzählt Willi Riedweg, Weibel 2018 und früherer Archivar Fasnacht, stolz.
Der Umzug rollt
Am Güdisdienstag ist es dann endlich so weit: Um 10.00 Uhr versammeln sich die Gruppen in der Halle und der Traktor wird geschmückt. Um 12.30 Uhr verlassen die Wagen in der Umzugsreihenfolge die Halle. Da der Platz knapp ist, sind die Wagen von Anfang an in der richtigen Reihenfolge in der Halle eingestellt. Die Wagenbauer sind überglücklich, wenn alles klappt. «Vor wenigen Jahren ist unser Generator ausgestiegen. Wir mussten ohne Musik starten. Aber bereits in der zweiten Kurve half uns eine Firma aus Kriens aus und organisierte für uns sofort einen funktionierenden Generator», erzählt Schnüriger jr. glücklich. Der Zusammenhalt im ganzen Dorf sei einfach riesig und jeder helfe jedem. Nach dem Umzug kommen die Wagen zurück in die Halle und eine Woche später wird abgebaut. «Der Aufwand ist riesig, aber es lohnt sich», so Schnüriger jr. abschliessend.