In den vergangenen Jahren ist ein Anstieg der durchschnittlichen Grösse von landwirtschaftlichen Betrieben in Lettland zu verzeichnen. Die Zahl der kleinen Betriebe ist rückläufig, die Flächen der grösseren Höfe wächst. Rund 14 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche wird für die Erzeugung von Bio-Produkten genutzt, die vor allem ins Ausland exportiert werden.
Der erste Fachbesuch der UFA-Revue-Leserreise führte die Reisegruppe in den Bezirk Tervete, der Kornkammer Lettlands. Zusammen mit 20-24 Angestellten werden auf dem hochtechnisierten Familienbetrieb Vilcini 2‘370 Hektar Land bewirtschaftet. Rund die Hälfte des Landes ist Pachtland. Der Preis pro Hektar Land in dieser Gegend beträgt 8‘000 bis 10‘000 Euro. Der Pachtzins kostet rund 250 Euro pro Hektar. Mit Beginn der EU-Direktzahlungen nahmen die Bodenpreise wie auch die Pachtzinsen rasant zu.
Die Traktoren werden automatisch gesteuert (Precision Farming), eigene Meteostationen überwachen den Gesundheitszustand der Pflanzen. Mit verschiedenen Sensorsystemen werden Ernteerträge ermittelt, Bodenanalysen erstellt und wo nötig Dünger zugegeben. Die Fruchtfolge umfasst Winterweizen, Raps, Feldbohnen sowie Gras zur Samengewinnung (mehrjähriges Ryegras und Rotschwingel).
Reise ins Baltikum
Trotz Corona-Einschränkungen konnte eine Reisegruppe der UFA-Revue vom 10.-17. September 2021 die beiden Länder Lettland und Estland bereisen. In Zusammenarbeit mit der UFA-Revue organisierte die Reise das Reisebüro Agrarreisen. Für nächstes Jahr ist eine UFA-Revue-Reise nach Sizilien geplant.
Sanddorn-Beeren-Plantage
Der nächste Fachbesuch fand auf einer Sanddorn Beeren Plantage mit 36 Hektaren statt. Bis zur ersten Ernte dauert es drei Jahre, danach wird in Handarbeit gepflückt. Dazu werden rund 100 Leute zusätzlich beschäftigt. Ganzjährig arbeiten nebst dem Besitzerpaar sechs Personen mit. Pro Hektar sind 20‘000 speziell kälteresistente Sträucher in Reihen gepflanzt. Die unter eigenem Namen vertriebene Produktepalette umfasst Sanddornsaft, Sanddornöl, Sirup, Kosmetikprodukte sowie Eiscreme, welche verkostet werden durften.
Geweih von Zuchthirschen für China
Die bewegte Geschichte der Stadt Riga mit ihren schönen Häusern sowie das vielfältige Warenangebot auf dem Zentralmark wurde am nächsten Tag vor Augen geführt.
Der Besuch auf einer Hirschfarm gehört wohl mit zu den eindrücklichsten Erlebnissen dieser Reise, liessen sich doch die zum Teil recht zahmen Hirsche von Hand füttern. 130 Hektaren Gelände inkl. Waldflächen für die rund 500 Rot- Weiss- und Damhirsche sind eingezäunt. Auf weiteren 150 Hektaren wird Getreide zur Fütterung der Tiere angepflanzt. Ein Zuchthirsch teilt das Gehege mit 20 bis 25 Hirschkühen, der Nachwuchs wird nach neun Monaten abgesetzt. Wegen Verletzungsgefahr wird bei rund 90 Prozent der Hirsche das jährlich nachwachsende Geweih abgesägt und nach China exportiert. Aus dem Geweih wird chinesische Medizin hergestellt. Zum Betrieb gehören auch ein Restaurant sowie ein kleiner Hotelbetrieb für Jagdgäste. Dadurch bietet die Farm zehn Personen einen Arbeitsplatz.
Biolandbau in Estland
Nach einem ausgezeichneten Mittagessen auf der Farm überqueren die UFA-Revue-Reisegruppe die Grenze nach Estland. Rund 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche gehört ausländischen Eigentümern. Westeuropäische Agrarunternehmen auf Expansionskurs erhalten in vielen EU-Staaten zum gleichen Preis fünf- oder zehnmal so grosse Flächen wie in ihrem Heimatland. Estnische Biolandwirte erwirtschaften ein Zehntel der gesamten landwirtschaftlichen Produktion. Neben Österreich und Schweden hat Estland damit den grössten Anteil an Biobauern im EU-Vergleich. Die Nachfrage nach Landtechnik ist gross, viele Biohöfe modernisieren.
Der erste Fachbesuch in Estland galt einer Bio-Apfelplantage, auf der 5‘000 Apfel- und 1‘200 Birnbäume stehen. Früchte werden auch von benachbarten Betrieben eingekauft und verarbeitet. Durch verschiedene Arbeitsprozesse und Lagerung wird auch Schaumwein hergestellt.
Der nächste Besuch galt einem grossen Bio-Milchbetrieb. 500 Hektaren Getreide (Gerste, Raps, Weizen, Roggen, Hafer, Bohnen und Erbsen), 100 Hektaren Wald. Total 250 Hektaren Weideland stehen den 106 Milchkühen zur Verfügung. Die 100 Nachzucht-Rinder beweiden zusammen mit 100 Gotlandschafen rund 200 Waldwiesen, um diese vor Verbuschung zu bewahren. Diese Wiesen werden zudem mit speziellen Traktoren gemäht - auch in Lohnarbeit. Für diese Arbeit gibt es Subventionen von der EU. Für gutes Land wird in Estland zur Zeit rund 3500 Euro pro Hektare bezahlt.
Auf dem Familienbetrieb arbeiten drei der sechs erwachsenen Kinder Vollzeit, jedes mit eigenem Aufgabenbereich sowie zwei Angestellte. Zwei DeLaval-Melkroboter stehen im Einsatz. Letztes Jahr wurden total 500‘000 Liter direkt an eine Fabrik verkauft. (Preis pro Liter €0.31 plus €0.05 Zuschlag für Bio). In der hofeigenen Käserei werden 4000-5000 Liter Milch pro Monat zu Butter, Joghurt, Kefir und diverse Käsessorten verarbeitet. Diese Produkte werden auf lokalen Märkten sowie in Geschäften verkauft, ebenso Fleisch, Schaffelle und die Eier der 120 Hühner. Zugekauft wird Bio-Getreidegranulat für die Kühe. Gelegentlich werden Zuchttiere verkauft ebenso Heu, Silage sowie Getreide.
Vor Verbuschung bewahren
Wachsen oder Weichen – oder eine Nische finden. Dies hat das junge Bauernpaar getan. Auf 25 Hektaren, inkl. Pachtland, werden Getreide (Dinkel, Buchweizen, Roggen und Weizen) angepflanzt sowie als Fruchtfolge Erbsen. Der innovative Besitzer baute selber eine einfache Trocknungsanlage, die mit Solarstrom und Holz beheizt wird. Das Getreide wird auf der hofeigenen Mühle gemahlen und in Kleinmengen verkauft. Die Ehefrau ist eine begabte Hobbybäckerin und überzeugt die UFA-Revue-Reisegruppe im Hofkaffee von ihren Künsten. Mit viel Innovation und Herzblut wird hier mit wenig Landfläche ein Einkommen erwirtschaftet. Beeindruckend war auch der Besuch des Cali Kraters, der vor ca. 7500 Jahren durch einen Meteoriten einschlag entstanden ist.
Die Artenvielfalt des Agrarlandes zu verbessern ist eine wichtige und zugleich schwierige Aufgabe einer natur- und umweltfreundlichen EU-Agrarpolitik.
Die etwa 160 km² grosse Alvar Landschaft in Estland ist für Landwirtschaft ungeeignetes Land mit einer dünnen Vegetationsschicht auf felsigem Kalkuntergrund. Mit Hilfe von 850 Schafen, 100 Highland und Belted Galloway Kühen wird die schützenswerte Landschaft vor Verbuschung bewahrt und die Biodiversität erhalten. Durch Einkreuzung der Gotlandschafe mit Fleischrassen gibt es in kurzer Zeit Schlachtlämmer, die direkt an Restaurants und Private vermarktet werden. Das Haupteinkommen wird aber durch die EU-Beiträge für die Landschaftspflege erwirtschaftet. Das Gelände muss aufwendig elektrisch umzäunt werden, da viele Verluste durch Schakale und Wölfe zu beklagen sind. Den Winter verbringen die Schafe in mehreren grossen Treibhäusern, wo sie auf Tiefstreu stehen, die dann wiederum den Nährboden bildet zum Anbau von Gurken und Melonen im Sommer.
Auf der Weiterfahrt nach Tallinn besuchen die Reisegruppe den Betrieb Kadarbiku, der auf 700 Hektaren Gemüse anbaut, und anschliessend zu Säften und Suppen verarbeitet. Auch Salate werden verarbeitet, fertig verpackt und unter anderem nach Finnland exportiert.
Schutzhunde gegen Wolf- und Bärenangriffen
Mit estnischen Traditionen und Bräuchen wird die UFA-Revue-Reiseguppe auf dem letzten Fachbesuch vertraut gemacht. Die junge Bäuerin hält nur neun Schafe, die nach Wollqualität ausgewählt werden. Zusammen mit ihrer Grossmutter und Mutter werden aus der Wolle hochwertige Strickwaren hergestellt. Der Bruder hält rund 200 Schafe (u.a. blaue Texel) auf den Nachbarweiden. Alle Tiere müssen von grossen Maremmano Schutzhunden bewacht werden, da mit Wolf- und Bärenangriffen gerechnet werden muss.
Eine Stadtbesichtigung von Tallinn darf nicht fehlen und bildet den Abschluss der spannenden Woche.