Von den in der Schweiz im Jahr 2019 über 1,59 Milliarden konsumierten Eiern (Schaleneier und Eiprodukte) sind mehr als die Hälfte aus inländischer Produktion. Damit stieg der Selbstversorgungsgrad auf 63 Prozent an. Der Pro-Kopf-Konsum 2019 betrug erstaunliche 184,4 Eier. Grund genug, sich beim Aufschlagen auf dem Bratpfannenrand oder beim Aufklopfen im Eierbecher ein paar Gedanken über dieses Lebensmittel-Wunder zu machen, das aus unserer Ernährung nicht wegzudenken ist.
Wie ein Ei entsteht
Der Vorgang der Eibildung dauert rund 24 Stunden, womit auch gesagt ist, dass ein Huhn pro Tag nicht mehr als ein Ei legen kann. Die «biologische Produktionsstrasse» führt vom Eierstock der Henne, wo der Eizelle der Dotter kugelförmig angelagert wird, über den Eileiter oder «Legedarm» bis zum Eiaustritt über die Kloake, wobei sich die Scheide über diese stülpt, damit das Ei sauber bleibt. Zuoberst, im Eileitertrichter, würde das Ei durch die Spermien des Hahns befruchtet.
Im Eileiter wird dem werdenden Ei das Eiklar (Volksmund: «Eiweiss») angelagert, was deshalb gleichmässig erfolgt, weil sich das Ei im Eileiterschlauch um die eigene Achse dreht. Zugleich erhält es durch die Aus-stülp-Kontraktionen die Eiform mit spitzem und stumpfem Ende verpasst. Dieser Trick der Natur wurde nicht fürs Tütschen an Ostern erfunden, sondern für einen problemlosen Legevorgang sowie eine beim Brüten platzsparende Anordnung. Zudem verhindert es ein Geradeausrollen, was bei auf Felsklippen brütenden Vögeln Unheil verhindern kann.
Zerbrechliche Schale?
Anders als bei Reptilien, deren Eier von einer ledrigen Haut umschlossen sind, sah die Evolution fürs Vogelei eine feste Kalkschale vor, durch deren Poren – dank schützender, wachsartiger Schalenhaut – wohl Sauerstoff, nicht aber Keime ins Ei gelangen können. Eier seien zerbrechliche Gebilde? Je nach Sichtweise: Zwar beträgt die Schalenstärke bloss 0,3 bis 0,4 mm (gegenüber gut 2 mm beim Strauss), womit das Hühnerei klar verletzlich ist. Deshalb auch das handfeste, aber faule Bubentrickli des Christoph Kolumbus, ein Ei durch Tütschen auf die Spitze zu stellen. Jedoch: Der schichtweise Aufbau der Eischale und die Kristallstruktur des Kalziums (94 % Kalziumkarbonat) garantieren unerwartete Festigkeit des scheinbar zerbrechlichen Konstrukts. Denn um ein Ei von der Spitze her einzudrücken, ist eine Belastung von zwei bis drei Kilogramm notwendig. Auch einem künstlich erzeugten Innendruck von etwa 2,5 bar hält es noch Stand. Daher kann ein Küken vor dem Schlüpfen die Schale von innen her nur mit einem Trick öffnen, indem es mit dem auf der Oberschnabelspitze sitzenden Eizahn – wie mit einem Diamanten – die Schale ritzt, um sie dann dank Kerbwirkung mit dem Körper aufzustemmen.
Braune Eier nicht gesünder
Die übliche Quizfrage «Wer legt weis se, wer braune Eier?» wird immer wieder falsch beantwortet. Denn mit der Gefiederfarbe, wie man vermuten könnte, besteht kein Zusammenhang. Es handelt sich vielmehr um eine genetische Laune der Natur, indem die Farbe der Eischalen mit jener der Ohrscheiben (Ohrläppchen) des Huhns kombiniert ist: Rassen mit weissen Ohrscheiben legen weissschalige, Rassen mit roten Ohrläppchen braunschalige Eier. Weil der Erbfaktor für braune Schalen nicht dominant ist, ergeben sich Farbnuancen von tiefstem Braun bis hellster Cremefarbe. Auch zu Beginn der Legetätigkeit sowie mit zunehmendem Alter der Hennen werden die Schalen heller. Die Konsumenten bevorzugen bei braunschaligen Eiern generell den dunklen Farbton. Die weit verbreitete Meinung jedoch, braune Eier seien gesünder oder gar ökologischer produziert, beruht auf einem Ammenmärchen.
Dotter und Eiklar
Während die Schweizer und die meisten Europäer intensiv gelb-orangen Dotter vorziehen, wünschen ihn die Amerikaner blass-gelb. Bei Legebeginn treten bei Junghennen gelegentlich doppeldottrige Eier auf. Sie entstehen, wenn sich beim Eisprung zwei Eifollikel (Dotter) gleichzeitig lösen und gemeinsam von Eiklar und Schale umschlossen werden. Das Eiklar besteht aus viel Wasser und Eiweissfraktionen (allerdings ist im Eigelb mehr Eiweiss vorhanden als im Eiklar). Es umhüllt und schützt den Dotter in vier Schichten: Die erste, zähflüssige Umhüllung des Dotters (etwa drei Prozent des Eiklars) läuft in spiralig gedrehte Stränge aus, die so genannten Hagelschnüre. Dann folgen eine dünnflüssige (etwa 17 Prozent), eine dickflüssige (etwa 57 Prozent) und wieder eine dünnflüssige (etwa 23 Prozent) Eiklarschicht. Vom ganzen Ei machen das Eiklar 60 Prozent, der Dotter 30 Prozent und die Schale zehn Prozent aus. Der Nährstoffgehalt im Dotter ist deutlich höher als im Eiklar.
Abschrecken senkt Haltbarkeit
Kühl und korrekt gelagerte Eier behalten über Wochen eine optimale Qualität, während bei zu hohen Temperaturen schon nach wenigen Tagen die Minimalanforderungen unterschritten werden. Da der natürliche Enzymschutz im Ei gegen Keimwachstum drei Wochen anhält, empfiehlt sich der Kauf frischer, höchstens 20 Tage alter Eier. Die optimale Lagerung mit Spitze nach unten erfolgt im Kühlschrank oder kühlen Keller.
Fakt ist, dass gekochte Eier länger halten, wenn sie nicht abgeschreckt werden, abgesehen davon, dass dies nicht, wie immer wieder propagiert wird, zu leichterem Schälen führt. Dieses hängt vom Eialter ab; je älter, desto leichter zu schälen. Jedoch: Da beim Abschrecken (Unterdruckerzeugung) Bakterien aus dem Wasser ins Ei gelangen können, sollten solche Eier innert weniger Tage konsumiert werden. Ohne Abschrecken sind gekochte Eier etliche Wochen haltbar.
Prüfung der Eifrische
Am frisch aufgeschlagenen Ei sind dick- und dünnflüssiges Eiklar leicht zu unterscheiden. Bei Lagerung der Eier, vor allem bei hohen Temperaturen, verflüssigt sich auch das gallertige Eiklar und wird wässerig-durchsichtig. Der Dotter wölbt sich im frisch aufgeschlagenen Ei hoch, ist glänzend und gespannt; beim alten dagegen flach, matt und runzlig. Beim alten, gekochten Ei liegt der Dotter an der Schale statt in der Mitte. Beim ganzen Ei gibt es den Trick mit der Schwimmprobe und dem spezifischen Gewicht (wobei die Luftkammer als «Schwimmer» wirkt): Frische Eier bleiben, in Wasser eingetaucht, waagrecht am Boden oder heben allenfalls leicht den stumpfen Pol, dagegen stehen alte Eier (weil die Luftkammer beim Lagern grösser wird) senkrecht im Wasser oder schwimmen sogar obenauf.
Nahrhaft, vielseitig verwendbar
Ein Ei deckt rund zehn Prozent des täglichen Protein- und Mineralstoffbedarfs sowie einen Viertel des Vitamin A und D-Bedarfs. Zudem hat es ideale Küchen-Qualifikationen: Schaumbildung und -stabilität (geschlagenes Eiweiss), Emulsionsstabilität des Eigelbs (Mayonnaise), Back- und Kocheigenschaften (Emulgieren, Stabilisieren, Koagulieren, Flüssigkeitsbindung), nicht zu vergessen die Färbewirkung des Eigelbs (Gebäck und Teigwaren). Der Proteingehalt dreier Eier entspricht jenem von 110 g Rindssteak (bei markanter Preisdifferenz).
Übertierliche Leistung
Was Hybriden (Wirtschaftsgeflügel) an Legeleistung vollbringen, ist fast überhuhnlich. Zur Befriedigung unseres Konsumentenhungers leisten sie Akkordarbeit: Die mittlere Legeleistung einer Hybridhenne beträgt heute 320 Eier pro Jahr, also gut doppelt so viel wie bei den besten Legerassen unter dem althergebrachten Rassengeflügel. Nur gerade während der Mauser (Federwechsel) hat das Huhn Legepause.
Das Cholesterin-Märchen
Wegen seines relativ hohen Cholesteringehalts geriet das Hühnerei in die Kritik. Doch neuere Forschungen korrigierten dies und belegen, dass bei gesunden Menschen nur ein geringer Zusammenhang besteht zwischen Cholesterinaufnahme mit der Nahrung und Cholesteringehalt im Blut; das zeigte sich sogar in Studien, wo mehrere Eier pro Tag und Person auf dem Menuplan standen. Cholesterin befindet sich im Ei ausschliesslich im Dotterfett; durch Zucht und Fütterung lässt es sich nur unwesentlich beeinflussen.
Und entgegen einer immer wieder vertretenen Meinung, weisen Eier der schwanzlosen Araucana-Hühner (einzige «Grünleger» unter den Rassenhühnern) oder auch solche von Wachteln (gesprenkelte Eier) keinen tieferen, sondern teilweise sogar höheren Cholesteringehalt auf. Diese scheinbar unausrottbare Wunschvorstellung lässt sich leicht widerlegen: Aus cholesterinfreien Eiern könnten gar keine Küken schlüpfen, womit solche Rassen automatisch aussterben würden.