Obschon in Grösse und Gestalt ähnlich, sind Insektenfresser Maulwurf und Nagetier Schermaus ebenso wenig verwandt wie Fuchs und Hase. Ein Vergleich macht dies deutlich.
Maulwurf
Untergrund-Stromlinienform
Wie Igel und Spitzmaus gehört der Maulwurf zu den Insektenfressern. Er hat sich auf ein Leben unter der Erdoberfläche spezialisiert, um diesen fast konkurrenzlosen Lebensraum zu nutzen. Dies bringt Vorteile: ein Nahrungsangebot, das ihm kaum jemand streitig macht. Zudem ist er so besser gegen natürliche Feinde wie Eulen, Greifvögel, Raben und Störche geschützt. Auch Hunde, Füchse und Marder können ihm hier nichts anhaben.
Der gedrungene Körperbau hat sich an das Bergmannsleben angepasst und weist eine stollentüchtige Stromlinienform auf. Der Kopf geht ohne erkennbaren Hals in die Schultern über, die Ohren tragen keine Muscheln und die winzigen Augen, die im Fell verborgen liegen, haben nur eine kleine Lidspalte. Letztlich vermögen sie nicht viel mehr als Hell und Dunkel zu unterscheiden. Wichtig sind die lichtunabhängigen Sinne: Hören, Riechen, auch mit Hilfe von Duftmarkierungen, und Tasten. Der Tastsinn ist dem Maulwurf am hilfreichsten. Dabei kommt der ganze Körper zum Einsatz; besonders die Tasthaare am Kopf und die über 150 000 Tastkörperchen an der Schnauze.
Tasten heisst sehen.
Gekonnte Grabtechnik
Der walzenförmige Leib mit dem beweglichen Rüssel bietet beim Graben geringen Widerstand. Zudem fehlt dem samtigen Fell der Haarstrich. Der Maulwurf kann sich ebenso gut rückwärts- wie vorwärtsbewegen, da die Fellhaare sich nach jeder beliebigen Richtung umlegen. Der dichte Pelz verhindert zudem, dass Erdteilchen bis auf die Haut gelangen.
Eine weitere Anpassung ans Leben unter dem Erdboden ist die Kraftsteigerung. An massiven Knochen setzen kräftige Muskeln an. Die Vorderpfoten haben sich zu mächtigen Grabschaufeln mit langen Platten und scharfen Nägeln entwickelt. Beim Graben im Erdreich arbeitet sich der Maulwurf wie ein Brustschwimmer vorwärts: Er führt die Pfoten vor dem Kopf zusammen und schlägt sie dann (notfalls mit einem Druck bis zu fast zwei Kilogramm) mitsamt dem gelösten Erdmaterial nach hinten. Die gelockerte Erde wird zum Teil vom Körper an die Tunnelwandung gedrückt oder rückwärts in den Gang geschleudert. Dann folgt die Räumung. Die lose Erde wird, wiederum mit den Vorderpfoten und nicht etwa mit der fleischigen Schnauze, senkrecht nach oben hinausgestossen. Dadurch entstehen die typischen, hohen und zum Teil scholligen Hügel.
Makabre Vorratskammern
Die eiförmige Wohnkammer ist mit Pflanzenteilen gepolstert. Verbindungstunnels mit festen, glattgedrückten Wänden führen in ein oft stark verzweigtes Netz von grobwandigeren Jagdröhren. Das Weibchen baut zudem ein Nest für die Jungtieraufzucht. Besondere Speicherhöhlen dienen als Vorratskammern. In einem einzigen solchen «Lebensmittelmagazin» wurden zum Beispiel 18 Engerlinge und 1280 Regenwürmer gefunden. Letztere wurden durch Verletzungen am Kopf bewegungsunfähig gemacht. Das Gewicht dieser Grossration betrug stolze zwei Kilogramm. Rund alle vier Stunden macht der Maulwurf Jagdpatrouille auf Regenwürmer und Insektenlarven, aber auch auf solches, das von aussen durch das Gangsystem eingewandert ist: Dasseln, Spinnen, Tausendfüssler und Insekten. Selbst grössere Beute wie Lurche, Kriechtiere, Spitzmäuse und Mäuse überwältigt er.
Hämoglobintrick
Maulwürfe sind ganzjährig, bei Tag und bei Nacht, aktiv. Ihre Ruhepausen sind nur kurz und richten sich nach ihrem grossen Appetit. Ein Maulwurf verschlingt täglich beinahe sein eigenes Körpergewicht an Nahrung. Doch wie verträgt sich dieser Energiestoffwechsel mit der sauerstoffarmen Tunnelluft? Der Maulwurf hat einen Trick: Sein Blut führt viel mehr Hämoglobin, jenen roten Blutfarbstoff, der Sauerstoff bindet und transportiert.
Hochzeit im Dunkeln
Im Gegensatz zu den Schermäusen sind die Maulwürfe nicht besonders fruchtbar. Sie heiraten und gebären im Dunkeln. Deshalb, und weil sie in Gefangenschaft kaum zu züchten sind, ist diesbezüglich wenig bekannt. Die Fortpflanzungszeit fällt in die Monate März bis Juni. Meist bleibt es bei einem Wurf. In der Wurfkammer werden die blinden, nackten, weisslich-rosa gefärbten Nesthocker geboren. Es sind drei bis fünf oder mehr Junge, die völlig abhängig von der Mutter sind. Mit zwei Monaten sind sie bereits selbständig.
Mullwurf statt Maulwurf
Die deutsche Bezeichnung des tierischen Grubenarbeiters ist irreführend, weil seine Arbeitsweise gar nichts mit dem «Maul» zu tun hat. Die Erdbewegungen werden ja nicht mit der Schnauze, sondern mit den Grabhänden ausgeführt. Der Name Maulwurf leitet sich vielmehr vom althochdeutschen «Moltewurf» ab, dessen Wortstamm «molte» soviel wie «Erde» bedeutet. Kurz: Mullwurf, das heisst Erdwurf, wäre zutreffender als Maulwurf. Solche Spitzfindigkeiten kümmern den pelzigen Bergmann wenig, wenn er sein ausgeklügeltes Gangsystem anlegt, das im Extremfall bis 500 m Länge aufweisen kann. Es liegt, je nach Bodenbeschaffenheit, im Sommer 10 bis 40 cm unter der Erdoberfläche. Im Winter dagegen, wenn der Boden gefriert, wenn auch Regenwürmer und Insekten «abtauchen», bis zu einem Meter tief. Junge Tiere graben durchschnittlich weniger in die Tiefe und bewegen sich gelegentlich auch über Tag.
Unterschiede der Hügel
Feinheit des Erdmaterials (oben) und Position in Bezug auf das Gangsystem (unten). Der Maulwurf stemmt die Erde durch einen vertikalen Gang nach oben. So entstehen hohe, oft Schollen enthaltende Hügel, die direkt über den Gängen liegen. Die Schermaus scharrt die Erde durch einen seitlich in den Hügel mündenden Gang hinaus. Ihre Hügel sind flacher und feinerdiger.
Schermaus
Ganz andere Grabtechnik
Die Schermaus ist, anders als der Maulwurf, ein Nager aus der Gruppe der Wühlmäuse. Dies dokumentiert ihr Pflanzenfressergebiss. Ihre Fellfarbe ist braungrau mit Variationen von Schwarz über Grau bis Weiss. Mit einem Gewicht von 80 bis 140 Gramm sind Schermäuse deutlich schwerer als ihre Verwandten, die Erd- und Feldmäuse. Diese bringen ausgewachsen maximal 50, respektive 60 Gramm auf die Waage. Umgekehrt liegen die jungen Schermäuse, wie sie oft von Katzen angeschleppt werden, in dieser Gewichtsordnung. Als bestes Unterscheidungsmerkmal zwischen Scher- und Feldmäusen dient die Länge der Hinterfüsse. Diese sind bei der Schermaus ohne Krallen immer über 20 mm lang. Da Feldmäuse teilweise auch in unterirdischen Gängen leben, geraten sie hin und wieder ebenfalls in Schermausfallen. Weil die Schermaus die Erde mit den Nagezähnen losreisst und mit den Füssen herausscharrt, ist das Aushubmaterial der Hügel feiner. Da die Schermaus zusätzlich nicht imstande ist, ganze Erdsäulen aus der Tiefe nach oben zu stemmen, sind ihre Haufen flacher.
Die Ursachen solcher Massenvermehrung, sind heute noch rätselhaft.
Auch kein Winterschlaf
Gleich wie der Maulwurf und gleich wie die übrigen Wühlmäuse, macht auch die Schermaus keinen Winterschlaf. Sie ist aber in der kalten Jahreszeit kaum festzustellen. Doch nach der Schneeschmelze sind ihre kreuz und quer verlaufenden Gänge, die sie auf der Nahrungssuche zwischen Schneedecke und Grasnarbe anlegt, unübersehbar. Während die Schermäuse im Herbst und Winter vor allem unter der Erde Wurzeln und Knollen fressen, tun sie sich im Frühling und Sommer an frischen Pflanzen gütlich. Dabei weiden sie, mit dem Hinterteil im sicheren Eingang stehend, die Umgebung der Tunnelöffnung ab.
Problem Massenvermehrung
Die Schäden des Maulwurfs halten sich in Grenzen, doch gelten die Schermäuse als die grössten Schädlinge unter den einheimischen Kleinsäugern. Schuld daran ist vor allem die sporadische, alle paar Jahre auftretende Massenvermehrung, wobei es vorkommen kann, dass bis zu 1000 Tiere je Hektare die Pflanzendecke regelrecht zerstören. Dieses Phänomen beruht auf der Fähigkeit, bis zu vier Würfe pro Jahr mit je zwei bis sieben Jungen zu produzieren, ganz im Gegensatz zum Maulwurf, der es in der Regel nur auf einen Wurf bringt.
Die Ursachen solcher Massenvermehrung sind heute noch rätselhaft. In unserer modernen Kulturlandschaft helfen zwei Faktoren zumindest begünstigend mit: das überdurchschnittliche Nahrungsangebot gedüngter Wiesen und Kulturen und das zunehmende Verschwinden der natürlichen Feinde wie Nacht- und Taggreifvögel, Hermelin und Mauswiesel.
Über zehn Jahre Schweizer Schermausradar
Seit 2010 wird die Dichte der Schermauspopulationen in der Schweiz rastermässig erfasst. Die Resultate dienen den Landwirten zur Lagebeurteilung und Wahl der Bekämpfungsstrategie. Während der Verlauf im Mittelland eher unregelmässige Zyklen aufweist, entspricht jener im Jura einem regelmässigen Zyklus von fünf bis sieben Jahren und folgt einer Kurve mit Peak. «Wichtig für die Bauern ist», sagt Cornel Stutz als Radar-Verantwortlicher bei Agroscope, «zu wissen, ob die Schermausbestände regional stagnieren, zu- oder abnehmen. Bei einer Mäusezahl von 300 bis 1000 pro Hektare, was Totalschaden bedeutet, bricht die Population gewöhnlich von selbst zusammen.» Für die Erhebungen 2021 braucht es zehn trockene Tage und schneefreie Landschaften bis über 1000 m ü. M. Voraussichtlich Ende März, nach Auswertung der Daten, ist eine Prognose über die Mäusepopulationen des Jahres 2021 möglich.