Der Hof von Zeno und Hanna Stadler liegt direkt bei einem Kreisel am Stadtrand von Wil SG. Es ist ein mittelgrosser Betrieb mit Milchvieh, Hühnern, Hochstammobst und Ackerbau. Stadlers vermehren Raygras und produzieren spezielle Ölsaaten wie Lein, Ölkürbis und Schlafmohn. Zeno Stadler schreckt nicht davor zurück, Neues auszuprobieren. Nächstes Jahr will er Leindotter und Braugerste produzieren.
Die Magie der Mohnblüte
Das blühende Mohnfeld scheint die Leute magisch anzuziehen. Zeno: «In den zehn Tagen, in denen der Mohn blüht, halten den ganzen Tag hindurch Autos am Feldrand.» Hanna fügt hinzu: «Manche Leute kommen sogar im Abendkleid und lassen sich im Mohnfeld ablichten.» Oder sie holen sich einen Strauss, wie einst ein älterer Herr mit Kind. Stadlers sind kulant, Hanna lacht: «Der Strauss hatte vermutlich sowieso keine Blütenblätter mehr, bis sie zuhause ankamen.» Stadlers bekommen immer wieder Anfragen von Fotound Filmstudios, die ein Fotoshooting im Mohnfeld abhalten oder einen Trailer darin drehen möchten. Einmal wollte jemand sogar mit dem Pferd durchs Mohnfeld galoppieren. Das ging der Bauernfamilie dann aber doch zu weit. Sie leben schliesslich vom Ertrag und der ist beim Mohn ohnehin nicht besonders hoch: Von einem Hektar lassen sich gerade mal 300 Liter Öl gewinnen.
Immer unter Beobachtung
Durch die Nähe zur Stadt Wil und die Lage direkt an der Strasse sind Stadlers immer unter Beobachtung. Nicht zuletzt deshalb bemüht sich das Betriebsleiterpaar, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Wenn die Kühe die Strasse überqueren, putzen sie sofort hinterher – sofern man sie lässt. Oft wollen die Autofahrer aber gar nicht so lange warten. Hanna stellt sich nicht mehr in die Strasse, um die Kühe zur Weide rüberlaufen zu lassen, das überlässt sie ihrem Mann. «Mir haben sie zu oft wüst gesagt, vor Zeno haben sie mehr Respekt.» Da die Strasse demnächst saniert werden soll, wollen Stadlers bei dieser Gelegenheit einen Tunnel für die Kühe bauen. Auf eigene Rechnung – die öffentliche Hand beteiligt sich jedenfalls nicht daran.
Wichtiges Standbein
Die Nähe zur Stadt hat auch Vorteile. «Es gibt viele Leute, die auf dem Heimweg noch Eier oder Käse bei uns kaufen,» erzählt Hanna. Während Zeno für Milch und Ackerbau zuständig ist, sind die 400 Legehennen und die Vermarktung Hannas Bereich. Auf dem Hof verkauft sie Eier, Bodensee-Käse (von der Käserei, die Stadlers mit Milch beliefern) und Kartoffeln (von einem befreundeten Hof) sowie das komplette Sortiment an kaltgepressten Ölen der St. Galler Saatzucht. Mit den Ölen fährt Hanna zudem regelmässig in Wil auf den Markt. Der Direktverkauf ist ein wichtiges Standbein, Stadlers generieren damit etwa einen Drittel ihrer landwirtschaftlichen Einnahmen. Ihnen kommt zugute, dass Hanna das Verkaufen von der Pike auf gelernt hat. Sie geniesst es, ihren Beruf weiterhin auszuüben und einmal in der Woche auf den Markt fahren zu können.
Landwirtschaft wird bedrängt
Stadlers Kinder, zwei Töchter und ein Sohn, sind zwischen 14 und 20 Jahre alt. Ob jemand von ihnen später einmal den Hof übernehmen wird, steht noch in den Sternen. Der Druck auf die Fläche ist enorm. Ein Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Betriebs liegt im 16 Hektaren grossen Entwicklungsgebiet Wil-West, dort soll ein neues Wirtschaftszentrum entstehen. Deshalb bekommen alle Bauern in diesem Gebiet statt der üblichen sechsjährigen Pachtverträge nur noch einjährige Gebrauchsleihverträge. Wil-West liegt an der Autobahn A1 mit den Achsen Zürich–St.Gallen und Wattwil–Bodensee und es grenzt an bereits bestehende Industrie- und Gewerbeflächen an. Ein Drittel der Fläche ist für Gewerbe und KMU vorgesehen, ein weiteres Drittel soll öffentlich genutzt werden und das letzte Drittel ist für Neuansiedlungen geplant. Nur für Mohnfelder und Kartoffeläcker ist in Wil-West kein Platz mehr.