Mit flinken Händen und gezielten Griffen pflücken die Erntehelfer auf dem Obstbaubetrieb der Familie Eichenberger in Rudolfingen in den Kulturen die erntereifen Kaiser Alexander Birnen. Dabei hat das Pflücken mit äusserster Sorgfalt zu erfolgen, damit die Früchte keinen Schaden erleiden und keine Druckstellen entstehen. Sorgfältig werden die Birnen in die Pflückkörbe gelegt und diese danach möglichst vorsichtig in die Grosskisten entleert. Zugleich erfolgt auch eine erste umfassende Sortierung, bei der verformte, nicht marktfähige, verletzte oder beschädigte Birnen aussortiert werden. Die dabei verwendeten fünf Grosskisten werden auf speziellen niederflurig gebauten Transportwagen durch die Reihen gezogen, während entlang des Zuges seitlich gepflückt wird. Damit erfolgt eine rationelle und saubere Ernte, indem die Pflückkörbe direkt in die Grosskisten entleert werden. Sind die Kisten voll, so werden sie gleich vor Ort für den weiteren Transport, ins Kühllager in Uhwiesen, auf Anhänger umgeladen. Sorgfältig stellt dabei Peter Eichenberger mit dem Hubstapler Kiste um Kiste auf den Anhänger. Bereits im vergangenen Frühling, während dem Knospentreiben und der Blüte, war er in diesen Kulturen gefragt, denn es musste elf Mal die Frostbewässerung eingesetzt werden, um Schäden zu verhindern. Der Einsatz hat sich gelohnt und es kann nun eine schöne Ernte eingebracht werden. Nach der Ernte kommen die gepflückten Kaiser Alexander-Birnen noch am gleichen Tag sofort ins Kühlhaus, wo sie bis zur Auslagerung für den Verkauf eine optimale Lagerung erhalten.
Marmorierte Baumwanze meldet sich zurück
Doch die Freude am schönen Ertrag und den Früchten wird etwas getrübt, weil in diesem Jahr die marmorierte Baumwanze sich wieder in den Rudolfinger Birnenkulturen mit aller Deutlichkeit bemerkbar machte. Peter Eichenberger zeigt die Schäden an einzelnen Früchten. Durch den Einstich der Wanze, während dem Hauptwachstum der Frucht, bildeten sich deutliche Dellen und Verformungen in den Früchten. Das dabei betroffene Fruchtfleisch verholzt und die Früchte werden kaum noch geniessbar, respektive lagerfähig. Die aussortierten Früchte, an welchen sich die Schäden gut erkennen lassen, können nur noch zu Saft verarbeitet werden. „In Norditalien sind die Schäden enorm und der weitere Anbau wird in Frage gestellt“, sagt Eichenberger mit einer etwas besorgten Miene. Denn der Schädling lässt sich kaum bekämpfen. „Je näher die Birnenkulturen zu Siedlungen liegen, desto grosser ist der Befall“, erklärt er. Der Grund: die 12 bis 17 mm lange marmorierte Baumwanze überwintert in Ritzen und Spalten von Häusern, wo sie vor Kälte und Feuchte geschützt ist.
Heimtückischer Schädling
Im Dezember 2019 wurden an einer nationalen Fachtagung am Strickhof in Wülflingen erstmals die marmorierte Baumwanze und, deren teilweise, massive Schäden an Früchten und Gemüse thematisiert. Der aus Asien eingewanderte Schädling hat sich in der Schweiz und den umliegenden Ländern in den vergangenen Jahren sehr rasant ausgebreitet. Als ernstzunehmender Schadstifter sorgte sie in der Schweiz bereits für enorme Schäden an Obst, Gemüse, Beeren- und Feldfrüchten. Schäden wurden aber auch an Auberginen, Tomaten, Gurken, Stangenbohnen, Zuckermais, Krautstiel oder Spargel verzeichnet. Aber insbesondere dem Obstbau drohen markante Schäden. Teilweise wurde die Birnenernte 2019 erstmals vollständig vernichtet und auch in Apfelanlagen sind massive Schäden verzeichnet worden. Ab rund 10°C Tagesmitteltemperatur fliegt die Wanze aus ihrem Winterquartier und beginnt ab Mai mit der Eiablage, welche jeweils auf der Blattunterseite in Gelagen mit 20 bis 30 Eiern erfolgt. Ein Weibchen kann dabei bis zum Herbst etwa 250 Eier ablegen und man verzeichnet je nach Witterung ein bis zwei Generationen. Die dabei schlüpfenden Nymphen durchlaufen fünf Juvenilstadien. Hinter den Einstichen in die Wirtspflanzen steckt die Saugtätigkeit der Wanze. Dadurch werden die Wirtspflanzen deformiert und es bilden sich Dellen auf der Oberfläche. Bei den Gurken kann es dazu führen, dass diese an der Einstichstelle krumm wachsen.
Quelle: Roland Müller