Gemäss mündlicher Überlieferung soll vor etwa 200 Jahren ein wildes Apfelbäumchen von einem Bauern aus Niederhelfenschwil am Waldrand ausgegraben und in den Obstgarten gepflanzt worden sein. Die Äpfel, die später daran reiften, schmeckten dem Besitzer und seiner Nachbarschaft so gut, dass bald in der ganzen Region Bäume mit Beeriäpfeln standen. Den Namen erhielt der Apfel wegen seines erdbeerfarbigen Äusseren.
Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Kanton St. Gallen der Obstbau gefördert. Die Bereinigung der vorherrschenden Obstsortenvielfalt galt als besonders wichtig und wurde mit grossem Aufwandvorangetrieben. «Geringe und unpassende Sorten» sollten reduziert und an deren Stelle nur noch wenige «vorzügliche» Sorten angebaut werden. Der Niederhelfenschwiler Beeriapfel erscheint bis in die Zwanzigerjahre auf keiner der laufend angepassten Listen förderungswürdiger Sorten.
Gesunder Baum, gute Fruchtqualitäten
Der Beeriapfelbaum wächst eher schwach und eigensinnig. Er neigt dazu, abwechselnd an einzelnen Ästen Früchte zu tragen und reagiert empfindlich auf zu starken Schnitt. Sein Blattwerk ist jedoch robust und wenig anfällig für Pilzkrankheiten. Damit eignet er sich gut für den extensiven Feldobstbau.
Reife Beeriäpfel fallen zuerst durch ihre schöne Färbung und den intensiven Duft auf. Sie sind klein, kugel- bis kegelförmig und von grüngelber Grund- und rot bis dunkelroter Deckfarbe. Das Fruchtfleisch ist fest, saftig und hat ein intensives Aroma. In den ersten Wochen nach der Ernte ist der Beeriapfelein fruchtig spritziger Tafelapfel, der sich gut lagern und in der Küche verarbeiten lässt. Das Fruchtfleisch bleibt dabei fest und erhält, wenn es mit der Schale gekocht wird, eine zartrosa Farbe.
Dass der Beeriapfel auch ein ausgezeichneter Mostapfel ist, wurde erst mit dem Aufkommen der Süssmostproduktion entdeckt. In den Dreissigerjahren wurden Umpfropfungen mit dem Beeriapfelsogar mit Beiträgen der eidgenössische Alkoholverwaltung bedacht. Lokale Mostereien interessierten sich für den aromatischen Apfel und kauften ihn den Produzenten während Jahrzehnten sortenrein und zu einem besseren Preis ab. Trotzdem blieb der Beeriapfel eine regionale Sorte und wurde mit der Zeit von ertragreicheren Varietäten verdrängt.
Die Wiederentdeckung
Mitte der Neunzigerjahre wurde der Verein Naturschutz Niederhelfenschwil-Zuzwil auf das langsame Verschwinden der ortseigenen Sorte aufmerksam. Der Verein suchte nach Standorten für junge Beeriapfelbäume und war dabei so erfolgreich, dass 140 hochstämmige Jungbäume abgegeben werden konnten. Einige Jahre danach finanzierte die Gemeinde Niederhelfenschwil die Virusfreimachung der Sorte, um eine reguläre Jungbaum-Produktion in den Baumschulen zu ermöglichen und die Qualität der Jungpflanzen sicherzustellen. Dank dieser Aktion sind nun seit 2017 in verschiedenen Schweizer Baumschulen zertifizierte Beeriapfelbäume erhältlich.
In den Beschreibungs- und Nutzungsprojekten, die von Fructus und Agroscope zu alten Obstsortendurchgeführt werden, machte der Beeriapfel mit guten Resultaten bei Baumgesundheit, Frucht- und Saftqualität auf sich aufmerksam. Er wurde als förderungswürdige Sorte bezeichnet und 2020 ins Fructus-Projekt Promotion von Obstgenressourcen aufgenommen. Gemeinsam mit der Gemeinde Niederhelfenschwil organisierte Fructus die lokale Verarbeitung und Vermarktung der Beeriäpfel. Das Resultat dieser Zusammenarbeit ist ein feiner, sortenreiner Beeriapfelsaft, der in der Region als Spezialität in die Läden kommt und bald auch als vergorene Variante erhältlich sein wird. Es ist für Fructus eine Freude, mit dem Niederhelfenschwiler Beeriapfel eine alte Schweizer Apfelsorte zur Obstsorte des Jahres zu küren, die dank lokalen Initiativen und vielen engagierten Menschen ihren Platz in den Obstgärten auf sicher hat.
Veranstaltungen zum Niederhelfenschwiler Beeriapfel
Fructus präsentiert den Niederhelfenschwiler Beeriapfel mit verschiedenen Aktionen am Herbstmarkt Zuckenriet in der Gemeinde Niederhelfenschwil. Der Markt findet voraussichtlich am 1. Oktober 2022 statt. Informationen dazu und zu weiteren Veranstaltungen von Fructus auf https://www.fructus.ch/angebote/anlaesse/
Quelle: Fructus