Irma Götschs Lieblingsplatz ist ihr Hausgarten, wo das Unkraut durchaus auch ein bisschen wild sein darf. Unkraut ist eines der Lieblingsthemen der Bio-Landwirtin, aber eigentlich spricht sie lieber von Begleitflora. Irma Götsch (61) ist seit 27 Jahren Imkerin und pachtet gemeinsam mit ihrer Familie den Waidhof in Zürich-Seebach, den sie 2002 auf Bio umgestellt haben und aktuell als Generationengemeinschaft bewirtschaften. Neben der Haltung von Milchkühen, Schweinen und Legehennen bauen sie Getreide, Mais, Hirse und Kartoffeln an und kultivieren Kunstund Naturwiesen. Zudem pflegt Irma Götsch 20 Bienenvölker. Im Interview erzählt die Landwirtin von ihrer Sichtweise auf den Umgang mit Unkraut.
Irma Götsch, Biolandwirtin und Imkerin«Bei der Beikrautregulierung konzentriert man sich am besten auf invasive Arten.»
UFA-Revue: Gibt es eigentlich einen Unkraut-Honig?
Irma Götsch: Das wäre ja eine spannende Idee. Vielleicht eine Marktlücke? Denn tatsächlich sind viele unbeliebte Pflanzen wie die Ackerkratzdistel, das Franzosenkraut oder der Amarant für Bienen wertvolle Energielieferanten. Die verschiedenen Unkräuter blühen über eine weite Zeitspanne, so dass die Bienen von Frühling bis Herbst Nahrung finden. Aber ein Honig, der allein aus Nektar von Unkräutern besteht? Nein, dazu ist das Angebot einfach zu klein.
Das heisst, eine Welt mit mehr Unkraut würde Ihnen gefallen?
Götsch: Ja! Nein! Eine schwierige Frage. Ein wilder Acker aus Chläbere, Quecke, Ackerwinde, Blacke und Ackerkratzdistel? Ein Unkraut- Dschungel sozusagen? Das hätte schon was. Aber gerade bei invasiven, wuchernden und fast beeindruckend widerstandsfähigen Pflanzen hat man als Landwirtin auch eine Verantwortung. Da ist mir eine Welt mit weniger Unkraut schon lieber. Aber Unkraut ist nicht gleich Unkraut. Es gibt ja auch die wunderschöne Kornrade, Taubnessel, Hirtentäschchen, Ackerrittersporn, Kamille, Kornblume, Mohn, Ehrenpreis und so weiter. Mich stört es nicht, wenn im Acker neben der Kultur vereinzelt auch Kräuter blühen und die ein bisschen für Kraut-und-RübenÄsthetik sorgen. Aber das ist ja genau das Schöne am Biolandbau: Der Acker ist niemals so sauber wie wenn man Herbizid austrägt. Es bleiben immer Fremdsamen und -wurzeln und damit Unkraut zurück. Da freuen sich dann auch die Honig- und Wildbienen.
Unkraut ist nicht wirklich eine sympathische Bezeichnung.
Götsch: Absolut. Man sagt auch eigentlich Beikraut. Aber mir gefällt am besten das Wort Begleitflora. Weil Flora – also Blume – auch impliziert, dass die Begleitflora eben nicht nur lästig ist, sondern auch nützlich, ästhetisch und bienenfreundlich sein kann. Auch die Bezeichnung Unkrautbekämpfung gefällt mir eigentlich nicht. Ich sehe es nicht als Kampf, lieber spreche ich von Regulierung. Begleitfloraregulierung. Ist doch ein tolles Wort, oder?
Ein richtiger Zungenbrecher. Wie regulieren Sie die Begleitflora auf dem Waidhof?
Götsch: Es gibt drei Zauberwörter: Wiese. Fruchtfolge. Winterroggen. Die Wiese ist die beste Begleitfloraregulierung, die es gibt. Da man sie mehrfach mäht, haben gewisse Kräuter gar keine Chance, sich zu etablieren. Im Zusammenspiel mit einer gut strukturierten Fruchtfolge – also Kultur, Wiese, Kultur, Wiese und so weiter – ist damit schon viel Vorarbeit geleistet. Und wenn man dann Winterroggen ansät, der sehr früh und sehr dicht ausschiesst, findet kaum eine andere Pflanze noch Platz. Was dann an Begleitflora doch noch wächst, entfernen wir maschinell vorgängig mit Pflug, später mit Striegel, Hackgeräten und manuell mit dem Blackenstecher. Auch unsere Tiere leisten ihren Beitrag dazu. Die Kühe und Kälber fressen sich durchs Wiesenangebot, die Blackenwurzeln verfüttere ich an die Schweine und das Kraut aus dem Hausgarten lasse ich von den Hühnern zerhacken und verscharren.
Im Biolandbau sind nur maschinelle und manuelle Methoden erlaubt, wie Sie sie soeben geschildert haben. Das braucht viel Zeit.
Götsch: Und wie! Das Blackenstechen muss ich fast als Hobby bezeichnen, so viele Stunden habe ich da schon investiert. Herbizide austragen ist da natürlich die schnellere Variante. Aber für mich keine Lösung. Wenn Bienen beim Nektarsammeln Substanzen wie Glyphosat in sich aufnehmen, führt das meistens zur Orientierungslosigkeit und dadurch oft zum Tod. Nicht nur Insekten sterben durch Herbizide, monoton herausgeputzte Äcker sehen für mich auch nicht sehr lebendig aus. Da ist es doch schöner, wenn man beim Hacken mal etwas übersieht. Ich finde, wir müssen mehr in Richtung Pflanzengemeinschaften forschen. Also Symbiosen unter Pflanzen, die sich gegenseitig stärken. Klee zum Beispiel, der Stickstoff in den Boden abgibt, den der Mais nutzen kann. Dasselbe gilt für Bohnen und Mais. Oder die Brennnesseln, die Kartoffeln vor dem Kartoffelkäfer schützen. Bestimmt gibt es solche Bündnisse auch zwischen Kulturpflanzen und Begleitflora.
Was sind Ihre Tipps für Landwirtinnen und Landwirte, die beim Jäten etwas für Bienen tun wollen?
Götsch: Eben, Pflanzengemeinschaften ausprobieren! (lacht) Am besten, man konzentriert sich bei der Regulierung auf invasive Arten und drückt beim Rest auch mal ein Auge zu. Wenn die Begleitflora erst einmal blüht, würde ich sie stehen lassen. Erstens ist es dann meist eh zu spät, eine Versamung zu verhindern, und zweitens riskiert man beim maschinellen Hacken nicht, Bienen beim Nektarsammeln zu erwischen. Aber ganz ehrlich? Für mich gibt es nur einen wirklich hilfreichen Tipp: Wer noch nicht hat, auf Bio umstellen. Das bedeutet automatisch mehr Biodiversität, mehr Kräuter, mehr Bienen.
Bienen oder Unkrautregulierung? Wofür entscheiden Sie sich?
Götsch: Die Biene fordert mich heraus, sie bringt mir Honig und ist für die Landwirtschaft unersetzlich. Dennoch kann ich die Frage so nicht beantworten, denn im Bioanbau gibt es eben kein Entweder-oder. Das Ziel ist immer zusammen, immer im Kreislauf.
Informationen zum Waidhof: www.waid-hof.ch