Die Süsskartoffel ist 1519 erstmals schriftlich in Europa erwähnt, dabei hat sie ihren Ursprung in südamerikanischen Gebieten, wo sie bis heute als Grundnahrungsmittel angebaut wird. Botanisch hat die Süsskartoffel, welche zu den Windengewächsen gehört und auch als Wurzelgemüse bezeichnet wird, keine Verwandtschaft mit den ebenfalls aus Übersee stammenden konventionellen Kartoffeln aus der Familie der Nachtschattengewächse. Nur das äussere Erscheinungsbild, der auch als Batate oder rote Kartoffel bezeichneten Wurzelgemüse, zeigt gewisse Ähnlichkeiten zu den Kartoffeln, welche aber nicht dieselbe Grösse und Form erreichen.
Man sagt den Süsskartoffeln nach, dass sie mehr Ballaststoffe als Kartoffeln enthalten und sie auch für ein längeres Sättigungsgefühl als Kartoffeln sorgen. Der Nährwert liegt bei 115 bis 120 kcal, während Kartoffeln einen solchen von 70 bis 75 kcal aufweisen. Gesamthaft stecken in 100 Gramm Süsskartoffeln, 24 Gramm Kohlenhydrate, wobei dabei 4,5 bis 4,7 Gramm auf Zucker entfallen. Bei Kartoffeln sind es 15 Gramm mit weniger als 1 Gramm Zucker. Obwohl die süsslich schmeckenden Süsskartoffeln deutlich mehr Zucker enthalten, erhöhen sie den Blutzuckerspiegel weniger schnell als beim Kartoffelkonsum, so dass sie sich auch sehr gut für Diabetiker eignen. Speziell ist auch der hohe Gehalt an Vitamin A, wo das Beta Carotin sogar annährend die Werte von Karotten erreichen. Dieses wirkt sich positiv auf die menschliche Sehkraft und Haut aus.
Anbau massiv ausgedehnt
In den letzten Jahren hat diese Feldfrucht auch einen Siegeszug durch die Schweizer Küchen angetreten. Früher als Feldgemüse eingeführt, wird sie jetzt immer mehr in der Schweiz angebaut. Zu den ersten Produzenten, dieser sehr anspruchsvollen Feldfrucht, in der Ostschweiz gehören Matthias Hagen in Wilen bei Neunforn und der Trülliker Andreas Maurer.
Doch der Anbau des wärmeliebenden Wurzelgemüses ist mit beachtlichen Risiken verbunden. So verträgt die Süsskartoffel absolut keinen Frost und die Kultur kann erst frühestens ab Mitte Mai ausgepflanzt werden. Zudem muss sie im Herbst geerntet werden, bevor sich die Bodentemperatur unter 10 Grad absenkt. Sie gedeihen bei trockenem und warmem Wetter mit Temperaturen von 18 bis 25 Grad am besten, kältere und wärmere Temperaturen führen zu Wachstumsstockungen. Die Süsskartoffel verträgt auch keine Staunässe.
Zugleich benötigt sie aber viel Geduld. „Als ich im August eine Probegrabung vornahm, erschrak ich ab der noch dünnen und kleinen Knollen. Doch der goldene September sorgte dafür, dass nun doch noch beachtliche Knollengrössen und somit auch ein guter Ertrag herangewachsen ist“, erklärt Matthias Hagen. Dieses Phänomen hat auch Andreas Maurer festgestellt, welcher jetzt schon im vierten Jahr Süsskartoffeln im grösseren Umfang anbaut. Denn in den ersten rund 60 bis 70 Tagen ihrer Vegetationszeit entwickelten sich die entsprechenden Wurzelteile nur mässig zu kleinen Knollen.
Naturnaher Anbau und viel Handarbeit
Grundsätzlich sind keine Pflanzenschutzmittel, zum Schutz der Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen, sowie Herbizide zur Unkrautbekämpfung zugelassen, so dass nebst der mechanischen Unkrautbekämpfung mit mehrmaligem Hacken auch viel Handarbeit nötig ist. „Wir haben auf unserem Feld in diesem Jahr mehrmals in aufwändiger Handarbeit eine Unkrautbekämpfung ausgeführt“, erklärt Matthias Hagen. Entsprechend spricht er auch von einer mit dem Biolandbau vergleichbaren Produktion.
Beim Pflanzen von Süsskartoffeln werden, im Gegensatz zu Kartoffeln, keine Knollen, sondern aus Wurzeln gezogene Setzlinge oder nur angetriebene Wurzelteile ausgepflanzt. Die Saatpflanzenkosten für rund 40 000 Setzlinge pro Hektare liegen im höheren fünfstelligen Bereich.
Während sich an der Bodenoberfläche eine krautige Kletterpflanzen bildet, wächst im Boden mit Speicher-, Faser- und Bleistiftwurzeln, ein mehrteiliges ausgedehntes Wurzelsystem heran. Die eigentlichen Knollen entstehen aus den dickeren sogenannten Bleistiftwurzeln, indem diese durch die Einlagerung von Reservestoffen dicker werden und sich zu Speicherwurzeln entwickeln. Sie nehmen dabei entweder eine eher längliche Form oder eine runde Form an, wobei sie hundert Gramm oder gar gleich über ein Kilo schwer werden können.
Doch nicht nur der Mensch, sondern auch Feldmäuse und Drahtwürmer schätzen diese neue Feldfrucht sehr. Entsprechend findet man viele Mäuse, welche unter dem Kraut ideale Lebensbedingungen vorfinden und die Süsskartoffeln anfressen, welche dadurch nicht mehr lagerfähig sind und wertlos werden.
Moderner Anbau
Produzenten, wie Hagen oder Maurer, setzen beim Anbau auf die Produktion in den Furchen, welche die verschiedenen mechanischen Hackarbeiten, wie auch die Ernte, erleichtern. Auf dem Feld bei Wilen–Neunforn steckt die Familie Hagen mitten in der anspruchsvollen und schonenden Ernte.
Die Knollenhüllen dürfen dabei nicht verletzt werden. Da die Erdfrüchte mit ihrer eher feinen Schale aber sehr heikel auf äusserliche Beschädigungen sind, ist entsprechend grösste Sorgfalt gefordert. So kann man beispielsweise keinen konventionellen Kartoffelvollernter einsetzen. Beispielsweise können sie mit einem kleinen Roder, welcher früher als „Bauernkönig“ bezeichnet wurde, aus den Furchen geschüttelt und danach in Handarbeit aufgelesen werden.
Dieses Ernteverfahren wird auf den Biohof von Beatrice Peter und Jorgé Vàsquez in Wildensbuch ausgeführt.
Hagen wie Maurer setzen ihrerseits aber auf eine maschinelle Ernte mit einem etwas abgeänderten Spezialroder, welcher früher bei der Kartoffelernte eingesetzt wurde. Jeweils zwei Furchen werden von der Maschine erfasst und das gesamte Erdreich samt den Süsskartoffeln auf eine Siebkette angehoben. Auf der Maschine sind dann die tüchtigen und vor allem flinken Hände vom jungen vierköpfigen Team gefordert, innert Sekundenschnelle die Süsskartoffeln vom Siebkettenband zu nehmen, sie teilweise noch von den Wurzeln zu befreien und diese auf das andere Band zu legen.
Danach werden die Erdfrüchte direkt in Paloxen befördert. „Wir lagern nun diese Paloxen bei einer Temperatur von 29 Grad und sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Dabei bildet sich weiter Zucker und zugleich verkorkt die Schale "leicht", erklärt Hagen. Danach werden sie wieder bei deutlich tieferen Temperaturen bis zur eigentlichen Auslagerung für den Verkauf gelagert. Bei diesem Lagerungsprozess entwickeln sie, den für sie typischen, süsslichen Geschmack. Zugleich sorgt eine fachgerechte Einlagerung der gesunden und nicht beschädigen Wurzelknollenbei bei der richtigen Temperaturen dafür, dass sie danach bis zu einem Jahr lagerfähig bleiben.
Quelle: Roland Müller