Wer seine Herde bis in den Herbst hinein weiden lässt, nutzt die Futterflächen besser aus und erfreut sich obendrein an prallen Eutern. Das Gras ist in dieser Jahreszeit besonders eiweissreich. Parallel zur höheren Milchleistung steigt dann auch der Harnstoffgehalt in der Milch. Da liegt der Gedanke nahe, dass dieser Effekt auch einen positiven Einfluss auf die Fruchtbarkeit hat.
Diese vermeintliche Logik bezeichnet der FiBL-Tierarzt Christophe Notz als Irrtum und spricht bei einem erhöhten Harnstoffgehalt in der Milch von einem Fütterungsfehler: «Bereits 20 mg pro Deziliter haben einen negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit des Tiers.» Das pflanzliche Protein werde im Pansen bis auf die Stufe Ammoniak abgebaut. Erhielten laktierende Tiere vor oder während des Weidegangs zu wenig energiereiches Futter, könne nur ein Teil des Ammoniaks wieder zu Eiweiss aufgebaut werden, erklärt er. Das nicht genutzte Ammoniak zirkuliert im Tier und kann Entzündungen an der Gebärmutterschleimhaut oder an den Klauen verursachen. Zudem muss das überschüssige Ammoniak von der Leber zu Harnstoff entgiftet werden, was diese wiederum belastet.
Der Tierarzt rät deshalb, die Herde im Herbst nicht mit einem Heisshunger auf die Weide zu lassen. Um genügend Energie ins Tier hineinzubringen, eigne sich beispielsweise eine Ration Heu, Grünmais oder Maissilage. Die Milchleistung werde dadurch nicht herabgesetzt und die Tiergesundheit positiv beeinflusst.