Viele Biowinzer setzten auf pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Diese Sorten benötigen weniger Pflanzenschutzmittel und sind daher auch für den konventionellen Anbau interessant. Bisher ist die Rebfläche der Piwi-Sorten allerdings gering. Im Zeitraum von 2007 bis 2017 ist die Anbaufläche der Piwi-Sorten zwar um gut 87 Hektare auf 256 Hektare angestiegen, gemessen an der Gesamtrebfläche macht der Anbau aber nur 1.8 Prozent aus.
Interspezifische Rebsorten
Piwi ist die Abkürzung für pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Sie werden auch als interspezifische Sorten bezeichnet. Diese Sorten sind robust gegenüber verschiedenen Pilzkrankheiten, insbesondere gegenüber Echtem und Falschem Mehltau sowie Graufäule. Der Begriff interspezifisch kommt daher, dass es sich um eine Kreuzung zweier Reben handelt von verschiedenen Spezies. In der Regel werden eine europäische Rebe mit einer amerikanischen Rebe gekreuzt. Bei neueren Züchtungen sind teilweise auch asiatische Reben beteiligt. Diese so entstandenen Hybridsorten weisen zwar eine gute Krankheitsresistenz auf, doch ist die Weinqualität nicht immer überzeugend. Durch Rückkreuzungen der Hybridsorte mit einer europäischen Rebe kann die Weinqualität gesteigert werden unter Beibehaltung der Pilzwiderstandsfähigkeit.
Anbautechnische Vorteile
Im Anbau bringen Piwi-Sorten einige Vorteile mit sich. Zuoberst muss die Reduktion der Fungizide genannt werden. Dies ist auch im Hinblick auf die aktuellen Diskussionen zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln positiv zu bewerten. Mit weniger Pflanzenschutzbehandlungen sinken auch die Kosten für den Maschineneinsatz und den Arbeitsaufwand. Gleichzeitig werden Umwelt und Nützlinge geschont, sowie das Risiko von Bodenverdichtungen durch weniger Überfahrten gesenkt. Vor allem auch an Steilhängen ist es von Vorteil, wenn die beschwerliche Arbeit reduziert werden kann.
Weniger Pflanzenschutzmittel
Zu beachten ist, dass die Piwi-Sorten «nur» robust gegenüber Pilzkrankheiten sind und keine absolute Resistenz besitzen. Das heisst, die Reben können trotzdem befallen werden, allerdings sind die Schäden geringer als bei einer nicht robusten Sorte. Somit sollte auch nicht gänzlich auf Pflanzenschutzmittel verzichtet werden. Die Anwendungshäufigkeit kann jedoch deutlich reduziert werden. In Abhängigkeit der Niederschlagsverhältnisse sind bei vielen Piwi-Reben zwei bis vier Pflanzenschutzbehandlungen ausreichend.
Sorten im Schweizer Anbau
Die Rebfläche der Piwi-Sorten ist zwar immer noch gering, doch ein Blick in die Weinbaustatistik des Bundesamts für Landwirtschaft zeigt eine grosse Sortenvielfalt. So sind dort für das Jahr 2017 64 rote und 31 weisse pilzwiderstandsfähige Rebsorten aufgeführt. Die überwiegenden Sorten sind Regent, Cabernet Jura und Divico, respektive Johanniter und Solaris. Während Regent, Cabernet Jura, Johanniter und Solaris bereits vor zehn Jahren den Anbau der Piwi-Sorten dominierten, ist Divico eine recht junge Sorte. Sie wurde erst 2013 von Agroscope lanciert.
Divona, die Neue
Nach der roten Rebsorte Divico wurde 2018 die erste multiresistente Rebsorte von Agroscope herausgegeben. Die neue Sorte trägt den Namen Divona. Sie ist aus einer Kreuzung vom Gamaret und Bronner entstanden und hat somit die gleichen Eltern wie Divico. Die neue Sorte weist laut Agroscope eine gute Resistenz gegenüber Graufäule auf und verfüge dank Gamaret über ein sehr gutes önologisches Potenzial. Von der Sorte Bronner habe sie die hohe Resistenz gegenüber dem Echten und dem Falschen Mehltau geerbt. Agroscope beschreibt Divona als eine Rebe mit mittlerer Wuchskraft und einem relativ aufrechten Wuchs. Durch ihre hohe Produktivität sei häufig eine Ertragsregulierung erforderlich. Für einen effektiven Schutz der Rebe seien je nach Krankheitsdruck lediglich eine bis drei Behandlungen gegen Falschen und Echten Mehltau in der Blüte und während dem Fruchtansatz nötig. Da Divona eine frühreife Sorte ist, wird empfohlen, wärmere Weinbaugebiete sowie Böden mit geringerer Wasserverfügbarkeit zu meiden.
Herausforderung Marktetablierung
Wie sich aus der geringen Anbaufläche ableiten lässt, machen Piwi-Weine auch in der Vermarktung einen kleinen Teil des Weinabsatzes aus. Lena Holzwarth von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit mit den Herausforderungen bei der Vermarktung von Piwi-Weinen. Mittels einer Umfrage fand sie heraus, dass der überwiegende Teil der Winzer diese Weine direkt vermarktet. Der Vertrieb über den Weinhandel oder über die Gastronomie sei (noch) eher schwierig. Problematisch sei, dass Piwi-Sorten beim Konsument wenig bekannt sind. Auch wisse dieser nicht um die ökologischen Vorteile. Ein weiteres Hemmnis für die Vermarktung sei die geschmackliche Abweichung von den bekannten traditionellen europäischen Sorten sowie Vorbehalte hinsichtlich der Weinqualität.
Piwis, die Sorten der Zukunft?
Angesichts der steigenden Biofläche und dem wachsenden Interesse am Anbau von Piwis ist es wahrscheinlich, dass künftig noch mehr robuste Reben angebaut werden. Auch die gesellschaftlichen und politischen Forderungen nach der Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln sprechen für den vermehrten Anbau solcher Sorten. Damit diese aber eine grössere Bedeutung im Schweizer Weinbau erlangen können und neben den alten etablierten Weinsorten eine Chance haben, muss auf sämtlichen Ebenen die Arbeit weitergehen: Neben der züchterischen Verbesserung der Weinqualität ist nun auch vor allem mehr Know-how bei der Vinifikation von Piwi-Sorten gefragt. Und schlussendlich gilt es, die Akzeptanz beim Konsumenten zu erreichen, damit diese Sorten eine Zukunft haben.