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Betriebsführung

Das Ernterisiko trägt der Boden

Landwirt Bruno Feierabend setzt auf die Kraft des Bodens, um seine Ernte zu schützen. Mit einem regenerativen Anbaukonzept und schonender Bodenbearbeitung trotzt er Hochwasserrisiken und steigenden Versicherungsprämien. Ein Ansatz, der den Folgen des Klimawandels begegnet.

Tief reichende Wurzeln, krümelige Struktur, rege Regenwurmaktivität – die Spatenprobe bestätigt, was Landwirt Bruno Feierabend, sein Sohn und Lohnuntern...

Tief reichende Wurzeln, krümelige Struktur, rege Regenwurmaktivität – die Spatenprobe bestätigt, was Landwirt Bruno Feierabend, sein Sohn und Lohnunternehmer Alain Huber anstreben: einen lebendigen, wasserspeicherfähigen Boden.

(Bild: Stefan Gantenbein)

Publiziert am

Redaktor UFA-Revue

Quer gelesen

  • Eine schonende Bewirtschaftung verbessert die Fruchtbarkeit und Wasserspeicherfähigkeit des Bodens.
  • Lebendige Böden sind widerstandsfähiger gegenüber Umwelteinflüssen wie Trockenheit und Starkregen.
  • Langfristig zahlt sich eine Umstellung durch stabile Erträge und weniger Abhängigkeiten aus.

Landwirt Bruno Feierabend hat seine Ernte über seinen Boden versichert. In dieser Police besteht das Kleingedruckte aus Milben, Asseln, Würmern, Pilzen und Mikroorganismen. Dies, obwohl sein Betrieb im luzernischen Inwil mitten in einem Hochwasserrisikogebiet liegt. «Wenn einige Stunden starker Regen fällt, steigt die Reuss. Dann dauert es nicht lange, bis das Wasser im Bach zurückstaut und auf meine Felder schwappt», sagt der Landwirt mitten auf der Kunstwiese und zeigt in die Richtung des Rotbachs, der weiter unten parallel zu seinem Land und zur Reuss verläuft.

Umdenken nach Prämienschock

Vor neun Monaten wäre er genau an dieser Stelle bis weit über die Knie im Wasser gestanden. Das sieht man auf dem Handy-Foto gut, welches er dem Besuch der UFA-Revue vor die Augen hält. Einen Tag nach der Ansaat Ende August schüttete es innerhalb einer guten Stunde 100 Liter vom Himmel. «Fünf Tage stand danach das Wasser», sagt Bruno Feierabend, doch dann die Überraschung: «Während das Wasser Meter für Meter zurückwich, keimte die Saat Reihe um Reihe, bis alles wieder zu war.» Keine Nachsaat, kein Striegeln. Nur der Zeitpunkt des ersten Schnitts verschob sich nach hinten – ein überschaubarer Schaden.

 

 «Ich muss das Problem bei den Wurzeln packen.»

Bruno Feierabend, Landwirt

Das war auf den Flächen des Fahrhofs nicht immer so. «Als es in den Jahren 2005 und 2007 im Gebiet zu grossen Überschwemmungen kam, drückte das Wasser erst aus allen Schächten und blieb danach wochenlang stehen», so Bruno Feierabend. Die Ernteausfälle übernahm damals in beiden Fällen die Versicherung. Doch mit jeder weiteren Schadensmeldung stieg die Prämie. Irgendwann stand für Bruno Feierabend fest: «Ich muss das Problem bei den Wurzeln packen, das Wasser muss schneller abfliessen.» 2018 begann er, auf eine schonendere Bodenbewirtschaftung umzustellen. Drei Jahre später kam Alain Huber hinzu – ein Lohnunternehmer, der sich auf die aufbauende Bodenbewirtschaftung spezialisiert hat.

Mit ganzheitlichen Methoden zu starken Böden

Mit regenerativen Ansätzen und einer vernetzten Denkweise begleitet der Lohnunternehmer Alain Huber mit seinem Unternehmen Erdig AG Landwirtinnen und Landwirte auf dem Weg zu gesunden und widerstandsfähigen Böden. Dabei lässt sich der Spezialist vom Grundsatz leiten, dass ein resilienter Boden fähig ist, Veränderungen und Schockereignisse ohne bleibende Schäden zu bewältigen, sich rasch zu erholen und seine grundlegende Funktion wieder zu erfüllen. Seine Maschine ermöglicht die Applikation von Kompost-Extrakt, die Saatbeetaufbereitung und eine Drill- oder Einzelkornsaat in einer Überfahrt mit einem Gesamtgewicht von unter 10 t.

Fruchtbarkeit durch natürliche Prozesse

Heute stehen die beiden auf der Kunstwiese und holen mit dem Spaten einen Bodenziegel hervor. Die Wurzeln der Gräser reichen tief in den Boden, der eine stabile, krümelige Struktur aufweist.

«Der Einsatz von schwerem Gerät zerstört die Bodenstruktur.»

Alain Huber, Lohnunternehmer

Dazwischen winden sich Regenwürmer – alles Anzeichen für aktives Bodenleben: «Alleine schon der Einsatz von schwerem Gerät zerstört die Krümelstruktur und reduziert die Bodenfruchtbarkeit», sagt Alain Huber, «wenn man die Mikrobiologie verliert, werden die Böden anfällig für Wetterereignisse, die der Klimawandel mit sich bringt.» Ein Fakt, der längst auch bei Ernteversicherern angekommen ist (siehe Interview).

Auf dem Betrieb von Landwirt Bruno Feierabend hielt nun ein regeneratives Anbaukonzept Einzug. Dazu gehören ein ganzjährig bewachsener Boden, wenige und leichte Überfahrten, der Einsatz einer Spatenmaschine anstatt des Pflugs und eine individuell aufeinander abgestimmte Aussaat von Gründüngungen und Hauptkulturen. Auf den Flächen von Bruno Feierabend kommt seither kein Mineraldünger mehr, sondern nur noch Hofdünger zum Einsatz. Seine Gülle separiert er, fermentiert den Festmist und nährt die Dünngülle mit Steinmehl und Mikroorganismen.

Lebendige Böden lassen sich nicht stressen

«Ein Humusaufbau von einem Prozent erhöht die Wasserspeicherfähigkeit einer Hektare um 400 m3», erklären die beiden und legen den Bodenziegel zurück in das Loch. Der verbesserte Wasserhaushalt des Bodens ist gemäss Alain Huber aber nur ein Effekt: «Ich betrachte Resilienz als eine Art dynamische Stabilität, wie das Ökosystem Boden auf Umwelteinflüsse reagieren kann, ohne dabei seinen Zustand komplett zu verändern oder gar zu verlieren.» Auf lange Sicht sei es wertvoller, wenn Böden durch hohe Photosynthese-Leistung mehr Energie speichern und dadurch locker und lebendig blieben.

«Man muss auch den Mut haben, eine Kultur abzufräsen.»

Bruno Feierabend, Landwirt

In der Praxis bedeutet dies für Bruno Feierabend aber auch, dass man Geschehnissen auf dem Acker flexibel und mit dem Blick aufs Ganze begegnen muss: «Wenn eine Kultur an einer Stelle nicht gut wächst, muss man auch den Mut haben, sie dort abzufräsen und stattdessen eine Gründüngung hineinzusäen», sagt der Landwirt.

Langfristig zahlt es sich aus

Von heute auf morgen lässt sich ein degenerierter Boden nicht sanieren. Eine nachhaltige Entwicklung braucht Zeit und ist abhängig von mehreren Faktoren, welche zu einem gesunden Kreislauf und fruchtbaren Böden beitragen. Mit zunehmender Erfahrung werden Rückschläge immer seltener», sagt Bruno Feierabend. Im Hinblick auf die gewonnene Unabhängigkeit und das bessere Gefühl, nimmt der Landwirt dieses Restrisiko in Kauf. 

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Bettina Koster Leiterin Nachhaltigkeit, Schweizer Hagel

«Landwirtinnen und Landwirte müssen sich auf den Weg machen.»

Mögen Sie Betriebe, die keine Versicherung mehr brauchen?

Risikomanagement ist eine unternehmerische Entscheidung. Wer Flächen mit wiederkehrender Dürre oder Nässe hat, sollte Anpassungen vornehmen. Langfristig wird das Versichern von klimabedingten Risiken wie Trockenheit, Frost und Überschwemmungen zunehmend teurer und schwieriger.

Gibt es Modelle ohne Prämienerhöhung im Schadenfall?

Nein. Die Prämien müssen sich an der Schadensentwicklung orientieren, sonst funktioniert das System nicht. Wenn die Risiken steigen, steigen auch die Prämien – das ist unvermeidbar. Immerhin gibt es seit diesem Jahr staatliche Prämienverbilligungen für Trockenheit und Frost, die die Betriebe entlasten.

Wann kommt eine Versicherung an ihre Grenzen?

Bei systemischen Risiken wie einer grossflächigen Trockenheit. Wenn viele Betriebe gleichzeitig betroffen sind, fehlt der solidarische Ausgleich mit nicht betroffenen Flächen. Wird das häufiger, kann es finanziell kritisch werden, besonders wenn sich vor allem Betriebe in Risikogebieten versichern. Dazu kommt der hohe personelle Aufwand für Schadensbewertung. Darum setzen wir verstärkt auf Indexversicherungen, die Entschädigungen anhand von Messdaten regeln – so entfällt die Prüfung vor Ort.

Wie kann die Landwirtschaft klimaresilienter werden?

Landwirtinnen und Landwirte müssen sich auf den Weg machen – wie Bruno Feierabend. Wer langfristig bestehen will, braucht eine Strategie, wie der Betrieb mit Klimarisiken umgeht. Dabei lohnt sich der Austausch mit Beratung, Arbeitskreisen oder spezialisierten Lohnunternehmern. Der alleinige Abschluss einer Versicherung reicht für die Anpassung nicht aus.

Wie reagiert die Schweizer Hagel auf Klimarisiken?

Wir unterstützen Resilienzprojekte und begleiten so die Landwirtschaft aktiv bei der Anpassung. Die Versicherungen – vor allem im Bereich Trockenheit und Frost – passen wir laufend dem Klimawandel an. Das Ziel sind risikogerechte Tarife. Nur so funktioniert das Konzept der Versicherung und die notwendigen Anpassungen werden nicht ausgebremst.

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