Wohnmobilstellplätze auf Bauernhöfen wirken dem zunehmenden Problem des Wildcampens entgegen und sorgen gleichzeitig für eine erfreuliche Wertschöpfung – nicht nur bei Landwirtinnen und Landwirten selber.
Marco Schnell, Landcamp«Wir stellten fest, dass die Gemeinden Bauernhofstellplätzen positiv gegenüberstehen, sofern keine baulichen Veränderungen vorgenommen werden»
Auch Dorfläden, Restaurants und Bergbahnen profitieren vermehrt vom spontanen Kurztourismus, der sich aufgrund des dezentralen Angebots besser in der Region verteilt. Das zeigen Erfahrungen von Vermittlungs- und Buchungsplattformen in der Schweiz.
In Tourismus-Regionen werden Behörden offener
In Tourismus-Regionen scheint sich dieser indirekte Nutzen mittlerweile auch innerhalb der Amtsstuben herumgesprochen zu haben. «Wir stellten fest, dass die Gemeinden Bauernhofstellplätzen positiv gegenüberstehen, sofern keine baulichen Veränderungen vorgenommen werden», berichtet Geschäftsführer Marco Schnell von der Online-Vermittlungsplattform Landcamp aus Graubünden, die letztes Jahr ins Geschäft mit dem Büsslitourismus eingestiegen ist.
Bei Landcamp zahlen Gastgeberbetriebe eine Jahresgebühr für ihr Stellplatzangebot. Die Buchung und das Inkasso wickeln sie selbständig ab. Schnell ist zuversichtlich und freut sich über positive Rückmeldungen der aktuell 30 Gastgeberbetriebe bei Landcamp: «In den letzten Wochen haben bereits zahlreiche Betriebe ihr Interesse angemeldet.»
Trend zeigt Richtung Spontanreisen
Schnells erste Erfahrungen decken sich mit den bereits etablierten Anbietern. «Wenn Tourismusorganisationen hinter dem Stellplatzkonzept in der Landwirtschaft stehen, funktioniert es mit der Bewilligung inzwischen recht gut», bestätigt Nomady-Gründer und Geschäftsführer Oliver Huber.
Oliver Huber, Nomady«Im Vergleich zum Vorjahr hat sich unser Angebot aktuell verdreifacht»
Der Innerschweizer Anbieter wickelt Booking und Inkasso online ab und verzeichnet inzwischen über 400 Stellplatzangebote in der ganzen Schweiz. «Im Vergleich zum Vorjahr hat sich unser Angebot aktuell verdreifacht», bezeugt Huber den anhaltenden Camper-Boom der letzten Jahre. Insgesamt 60'000 Logiernächte konnten seine Gastgeber verzeichnen. Mit der neuen Direktbuchungs-Funktion inklusive Stornier-Option will der Anbieter vermehrt auch Spontanreisende ansprechen. Gastgeberbetriebe können dabei selbst wählen, bis wann sie kostenfreie Absagen tolerieren.
Dem Trend hin zu spontanem Individualcampen will auch der Onlinevermittler Place-To-Bee Rechnung tragen und plant, die Platzsuche für unterwegs zu vereinfachen. «Wir werden uns in diesem Jahr darauf konzentrieren, eine App zu entwickeln, die parallel zu unserem Webservice läuft», sagt Gründer und Geschäftsführer Arnaud Fasnacht. Zudem hat sich der Vermittler zum Ziel gesetzt, das Angebot von aktuell 54 Gastgebern mit insgesamt 90 Stellplätzen weiter auszubauen. Eine Mitgliedschaft bei Place-To-Bee ist für Anbieter kostenlos und lohnt sich für Landwirtschaftsbetriebe, die mit Camper-Touristen ihre Direktvermarktung oder Gastronomie zusätzlich beleben wollen.
Bei erfahrenen Anbietern nur leichte Zunahme
Der Camper-Boom scheint sich vor allem bei jenen Landwirtschaftsbetrieben bemerkbar zu machen, die mit einem Stellplatzangebot neu ins Tourismus-Geschäft eingestiegen sind.
Andreas Allespach, Agrotourismus Schweiz«Camping hat sich 2021 nach dem Segment Ferienwohnung als zweitstärkste Unterkunftsform entwickelt»
Zwar verzeichnet auch Agrotourismus Schweiz eine Zunahme im diesem Bereich. «Camping hat sich 2021 nach dem Segment Ferienwohnung als zweitstärkste Unterkunftsform, vor Zimmern und Gruppenunterunterkünften, entwickelt, da Schulen und Vereine wegen Corona sowohl 2020 als auch 2021 auf Reisen verzichteten», erklärt Geschäftsführer Andreas Allenspach den Anstieg von 13 Prozent. Neun Anbieter sind gemäss Allenspach 2021 hinzugekommen. Der Camping-Anteil liegt bei Agrotourismus Schweiz jedoch lediglich bei 12 Prozent aller Angebote. Und auch bei diesem Anteil generieren gemäss Allenspach nur fünf Anbieter ihre Einnahmen hauptsächlich mit Outdoor-Gästen: «Für die Übrigen ist es eine Diversifikation und ein Nebengeschäft zu den anderen Unterkunftsarten.»
Raumplanung als Bremsklotz
Allenspach rechnet damit, dass die Nachfrage nach Campingmöglichkeiten in der Landwirtschaft weiter ansteigen wird, da die ländliche Umgebung attraktiv und die Durchmischung mit anderen Personengruppen geringer sei als auf offiziellen Campingplätzen. Die Herausforderung sieht er allerdings in der Infrastruktur: «Die strenge Raumplanungsordnung verhindert einen grossen Wachstumsschub.» Da die Nachfrage aktuell grösser sei als das Angebot, rät er Anbietern zu entsprechenden Preiserhöhungen, vor allem in der Hochsaison.
Rolf Järmann, Wohnmobilland Schweiz«Ein Landwirt aus dem Kanton Solothurn musste sich neun Monate gedulden, bis sein Stellplatz endlich bewilligt wurde»
Den Ausführungen betreffend Raumplanungsgesetz pflichtet auch Rolf Järmann vom Verein Wohnmobilland Schweiz bei. Auf seiner Website können Betriebe ihren Stellplatz kostenlos anbieten. Reservierung und Inkasso wickeln sie auch hier selbständig mit den Gästen ab. Seine jüngste Erfahrung zeigt, dass es Kantone gibt, in denen Landwirtinnen und Landwirte sich die Zähne ausbeissen beim Versuch, eine Stellplatz-Bewilligung zu erhalten. «Ein Landwirt aus dem Kanton Solothurn musste sich neun Monate gedulden, bis sein Stellplatz endlich bewilligt wurde», so Järmann weiter.
Standort und Erschliessung sind entscheidend
So zäh ein Verfahren auch sein mag: Ohne behördlichen Segen bewegt man sich immer in einer rechtlichen Grauzone und muss mit teilweise hohen Bussen rechnen. Relevant in diesem Zusammenhang ist der Artikel 24 a des Raumplanungsgesetzes (siehe Box). Oft ist es nicht der Stellplatz selbst, der einer Betriebsbewilligung im Wege steht. Vielmehr stellen die Auswirkungen auf die unmittelbare Umwelt in vielen Fällen eine grosse Hürde dar. Dazu zählen beispielsweise Lärmemissionen, der zu erwartende Mehrverkehr oder auch eine ungeeignete Zufahrt. Ein Stellplatz im bestehenden Hof-Areal ohne zusätzliche Bauten und Anlagen mit weniger als 30 Tagen Nutzung pro Saison ist in vielen Fällen unproblematisch. Liegen die Stellplätze ausserhalb der Bauzone, ist in jedem Fall eine raumplanungsrechtliche Ausnahmebewilligung erforderlich. Der Kanton Graubünden hat als erster Kanton ein Merkblatt herausgegeben, das den Stellplatz als nichtlandwirtschaftlichen Nebenbetrieb definiert und nützliche Informationen zum Bewilligungsverfahren liefert.
Rechtsgrundlage Raumplanungsgesetz (RPG)
Art. 24 a Zweckänderungen ohne bauliche Massnahmen ausserhalb der Bauzonen
- Erfordert die Änderung des Zwecks einer Baute oder Anlage ausserhalb der Bauzonen keine baulichen Massnahmen im Sinne von Artikel 22 Absatz 1, so ist die Bewilligung zu erteilen, wenn:
a. dadurch keine neuen Auswirkungen auf Raum, Erschliessung und Umwelt entstehen; und
b. sie nach keinem anderen Bundeserlass unzulässig ist. - Die Ausnahmebewilligung ist unter dem Vorbehalt zu erteilen, dass bei veränderten Verhältnissen von Amtes wegen neu verfügt wird.
Weitere Informationen
Merkblatt Stellplätze auf landwirtschaftlichen Betrieben (Plantahof)
Gastfreundschaft als Bedingung
Viele Bauernhöfe können schöne lauschige Plätzchen anbieten. Wer professionell ins Tourismusgeschäft einsteigt, kann mit einem bewilligten Stellplatz einen attraktiven Zusatzverdienst generieren. Bei den Vermittlungsplattformen werden Neueinsteiger mit offenen Armen empfangen. Dort erhalten interessierte Betriebe auch wertvolle Tipps für einen erfolgreichen Einstieg ins Stellplatzgeschäft. Die Zusammenarbeit mit einem der verschiedenen Dienstleister hängt vom Angebot, den eigenen Präferenzen und der Ausrichtung des Betriebs ab. Dass man den Kontakt zu Menschen schätzt und gerne Gäste auf dem Hof hat, ist bei allen Modellen die erste Grundvoraussetzung, damit es mit dem Stellplatz klappt.