Magermilch, Vollmilch, Heidi-Milch, Heumilch, laktosefreie Milch und seit neuem auch klimafreundliche oder A2-Milch – der Detailhandel macht es dem Konsumenten nicht einfach. Während einige Packungsaufschriften vor allem dem Marketing dienen, steckt in gewissen Packungen tatsächlich etwas anderes drin. Teilweise kann der Milchviehhalter mit der Zucht, der Rassenwahl, der Fütterungoder dem Management den Inhalt beeinflussen. Es sind jedoch viele Faktoren, welche richtig zusammenspielen müssen, damit der Gehalt in die gewünschte Richtung verändert werden kann.
Wirtschaftliche Interessen
Die Milchprüfung bildet vielerorts die Grundlage für die Gehaltsbezahlung. Bei der Milchprüfung wird jeder Produzent im Auftrag des Bundes zweimal monatlich geprüft. Dabei werden in der Milch die Keimzahl, Zellzahl, Hemmstoffe sowie Gehaltswerte für Fett, Eiweiss, Harnstoff und weitere Inhaltsstoffe untersucht. Es liegt daher auf der Hand, dass der Landwirt unter anderem aus finanziellen Gründen die Inhaltsstoffe der Milch beeinflussen möchte.
Ergebnisse der Milchleistungsprüfung
Viele Milchviehhalter erhalten dank der Milchleistungsprüfung im Durchschnitt alle 34 Tage aussagekräftige Ergebnisse zu den Inhaltsstoffen und zur Qualität der Milch. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Fütterung aber auch hinsichtlich Gesundheitsstatus der Kuh ziehen. Dank Trächtigkeitsassoziierten Glykoproteinen, einfacher gesagt, dank einer Verbindung zwischen Eiweiss und Zucker, kann selbst über den Trächtigkeitsstatus derKuh eine Aussage gemacht werden. Im Jahr 2018 wurden mit dieser Trächtigkeitsanalyse «Fertalys» knapp 80 000 Kühe via Braunvieh Schweiz untersucht. Das entspricht einer Analyse jeder zweiten Kuh,die im letzten Jahr einen Laktationsabschluss hatte. Dabei werden gemäss dem Labor trächtige Kühe mit einer Sicherheit von 98,7 Prozent als solche erkannt.
Für Fütterungsberater sind die Ergebnisse der Milchleistungsprüfung (MLP) ein wichtiges Hilfsmittel, um Rückschlüsse über die Fütterung machen zu können. Der Eiweissgehalt wird vor allem durch die Energieversorgung der Kuh beeinflusst. Er kann über einen Anstieg der Mikroben-protein-Bildung durch die Energiezufuhr verbessert werden.
Der Fettgehalt kann durch die Struktur der Ration und deren Zusammensetzung in die gewünschte Richtung beeinflusst werden. Aber auch eine Mobilisation des Körperfetts kann den Fettgehalt erhöhen(Stichwort Aceton oder Ketose). Die Auswirkungen verschiedener Faktoren können sich jedoch ausgleichen, was die Interpretationerschweren kann. So können zum Beispiel eine Ketose und eine Azidose (Pansenübersäuerung) durch eine zu geringe Futteraufnahmeanfangs der Laktation zeitgleich auftreten. Die Azidose führt zu einer Reduktion des Milchfettgehaltes, die Ketose führt zu einem Anstieg. Diese Interaktion kann zu einem normalen Milchfettgehalt führen.
Hohe Acetongehalte lassen auf den Gesundheitszustand der Kuh schliessen. Wenn längere Zeit eine negative Energiebilanz vorhanden ist, steigt neben dem Fett- auch der Acetongehalt in der Milch. Vor allem frisch gekalbte Kühe sind davon betroffen. Bei Euterkrankheiten lässt sich ein Abfall des Laktosegehaltsmessen.
Eiweiss ist nicht gleich Eiweiss
Rund 77 Prozent des Eiweisses besteht aus Kaseinen, einem zentralen Inhaltsstoff für die Käseverarbeitung. Das Kasein beeinflusst die Käse-Ausbeute stark. Über die genomische Selektion wird dem Landwirt der Kaseintyp seiner Tiere ausgewiesen. Die B-Variante verbessert die Labfähigkeit von Käse und ist in der Braunvieh-Population stark vertreten. In der Gehaltszahlung hat dieser Faktor derzeit leider noch keine grosse Bedeutung. Trotzdem gehört es für viele Milchviehhalter schon seit langem dazu, Stiere auch aufgrund der Kasein-Ausprägung für die Zucht miteinzubeziehen oder eben auszuschliessen.
Interpretation der Eiweiss/Harnstoff-Grafik
Zusammen mit dem Eiweissgehalt kann der Harnstoffgehalt als Indikator zur Fütterung verwendet werden. Er ermöglicht einen Rückschluss auf die Energie- und Rohproteinversorgung. Das Interpretationsschema auf dem Prüfbericht der MLP liefert Hilfe dazu. Es müssen jedoch einige Grundsätze eingehalten werden. Wichtigster Grundsatz ist, dass die Fütterung stabil sein muss und vor der Milchkontrolle nicht umgestellt werden darf. Für eine Fütterungsanpassung können nicht Einzelwerte einbezogen werden, denn einzelne Ausreisser innerhalb einer Gruppe kann es immer geben.
Die Kühe werden optimalerweise anhand des Laktationsstadiums gruppiert. Diese Gruppen bilden die Referenz für eine allfällige Fütterungsanpassung.
Beeinflussung durch Zucht
Milchinhaltsstoffe werden auch durch die Zucht beeinflusst. Mit der Wahl der Rasse kann schon der erste Grundstein gelegt werden.Auch innerhalb einer Rasse gibt es sehr grosse Unterschiede. Wie stark ein Merk mal letztendlich durch die Zuchtarbeit beeinflusst werden kann, ist vor allem von der Heritabilität (Erblichkeit) und der Korrelation abhängig. Das heisst, wie stark ein Merkmal durch die Umwelt beziehungsweise durch die Gene beeinflusst wird und wie dieses Merkmal in Beziehung zu anderen Merkmalen steht.
Die Eiweissmenge beim Braunvieh weist beispielsweise eine Heritabilität von 0,34, die Fettmenge eine Heritabilität von 0,3 auf. Heritabilitäten zwischen 0,2 und 0,4 werden als mittlere Erblichkeiten bezeichnet.
Dank einer hohen positiven Korrelation von +0,88 lässt sich zum Beispiel die Eiweissmenge durch eine Erhöhung der Milchmenge bestens steigern. Hingegen ist es schwierig, gleichzeitig die Milchmenge und den Eiweissgehalt zu verbessern, weil diese Merkmale deutlich negative Korrelationen aufweisen.
Beim Faktor Zellzahl haben die Gene einen eher tiefen Einfluss.Die Heritabilität liegt bei 0,22.
Stark umweltbedingte Merkmale
Auch Merkmale mit mittleren oder tiefen Heritabilitäten lassen sich züchterisch verbessern. Dies zeigt eine Diplomarbeit des Agrotechnikers Daniel Elmer im Jahr 2018. Elmer schrieb über die Bestätigung der genomischen Zuchtwerte. In seiner Arbeit vergleicht der Agrotechniker die phänotypischen Leistungen von erst laktierenden Kühen mit den genomisch optimierten Zuchtwerten(GOZW; direkt genomischer Zuchtwert kombiniert mit Abstammungszuchtwert), welche diese Tiere als Jungtiere im April 2016 erhielten. Dabei wurden 418 Braunvieh-Tiere aus 60 Betrieben nach dem GOZW gruppiert. Der Vergleich ergab, dass die jenigen Gruppen mit den höchsten GOZW zwei Jahre später auch phänotypischdie besten Ergebnisse in diesen Merkmalen zeigten. Auch beimEiweissgehalt und bei der Zellzahl (mittlere und tiefe Heritabilität) konnte dies beobachtet werden (Tabelle 1).Die zwei besten Gruppen lagen bei den Zellzahlen zwar auf demselben phänotypischen Niveau (Tabelle 2).Diese beiden Gruppen weisen jedoch deutlichbessere Zahlen aus, als diejenigen Gruppen mit durchschnittlichenoder negativen Zuchtwerten.
Möchte man den Gehalt der Milch verbessern, lohnt es sich also,bei der Stierenwahl ein Auge auf die Gehalts- oder Zellzahlzuchtwerte zu werfen. Zu jedem Zuchtwertschätzungstermin werden bei Braunvieh Schweiz Toplisten mit den besten Gehalts-Vererbern veröffentlicht, um die Suche nach Gehalts-Verbesserern zu vereinfachen.
Die Inhaltsstoffe der Milch werden durch viele Faktoren beeinflusst. Das bedeutet, dass es verschiedene Wege gibt, den Milchgehalt zu verbessern.